Thema: Das Elixier
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Alt 27.02.2007, 21:28
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Fenni Fenni ist offline
Borussin
Inspirator aller Magier
 
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Das Elixier

Tjaja ich hab mich auch mal wieder hingesetzt und was geschrieben. Hauptsächlich ist es für Teria, aber ich würd mich freuen, wenn es auch andere lesen und mir ihre Meinung dazu sagen würden.
Kommis sind immer erwünscht
Die Geschichte ist noch ziemlich frisch und deswegen freue ich mich auch über Verbesserungsvorschläge. Außerdem ist es das erste Mal, dass ich in der Ich-Form schreibe.


Ich wurde in einer stürmischen Herbstnacht geboren. Als meine Mutter mir später von meiner Geburt erzählte, wusste sie alles noch ganz genau.
Der Wind heulte über den Burghof und zwischen den Gebäuden, er drang durch die Ritzen im Mauerwerk und an den Fenstern und ließ das Kaminfeuer flackern.
Meine Mutter lag auf dem Bett, sie war nass geschwitzt und schrie sich die Seele aus dem Leib vor lauter Schmerzen. Sie war sich sicher, dass sie es nicht überleben würde und als sie sich fühlte, als würde sie jeden Augenblick den letzten Atemzug tun, ergriff sie eine der Hebammen am Arm und sagte ihr, wie das Kind genannt werden sollte.
Die Hebamme beruhigte sie und versicherte ihr, dass sie nicht sterben würde und sie behielt Recht. Als sich im Osten die ersten Strahlen der Morgensonne am Horizont zeigten, war ich da, ein kleiner, zierlicher Säugling, der aus vollem Halse schrie. Meine Mutter war überglücklich, als ich ihr in die Arme gelegt wurde. Sie hatte nicht nur überlebt, sondern auch einen gesunden Sohn zur Welt gebracht, mein Vater würde stolz auf sie sein.
Leider war meine Mutter durch meine schwere Geburt nicht mehr in der Lage, noch weitere Kinder zu bekommen, ich blieb also ihr einziges Kind und so fokussierten sich all die Liebe meiner Mutter und all die Härte und Strenge meines Vaters allein auf mich.
Meine Mutter war eine der Hofdamen von Königin Brea und mein Vater war einer der fünf Ritter des Königs.
Bis zu meinem zehnten Jahr hatte ich ein Leben, von dem die meisten Kinder nur träumen konnten. Den lieben langen Tag streunte ich draußen mit meinen Freunden herum und wir erlebten zahlreiche Kinderabenteuer.
Dabei traf ich eines Tages Tinus, den Sohn des Königs. Zuerst war ich wie erstarrt vor Ehrfurcht. Mein Vater hielt mir regelmäßig lange Vorträge über unseren König, wie gut, klug und mutig er war und dass er von Gott persönlich auf den Thron gesetzt worden war. Von da an war er ein Heiliger für mich und ich himmelte ihn an, genau wie mein Vater. Ich war der festen Überzeugung, dass auch der Rest der königlichen Familie Heilige waren, über dem Boden schwebten und alles das taten, wozu normale Menschen nicht in der Lage waren.
So wusste ich auch zuerst nicht, wo ich hinsehen sollte, als plötzlich dieser Junge vor mir aus dem Gebüsch gestürzt kam und sich mir als Tinus, Prinz von Eslin vorstellte.
Ich machte eine tiefe Verbeugung und als ich mich wieder aufrichtete, war ich über und über rot im Gesicht. „Guten Tag, königliche Hoheit, wie geht es Euch,“ stammelte ich das herunter, was mir mein Vater immer vorgebetet hatte.
Er grinste mich an und entblößte zwei Zahnlücken. „Hör auf damit, du musst dich nicht so benehmen, ich bin nicht mein Vater!“
Er sprach genau so wie ich, keine Spur von der eleganten Sprechweise, die seinem Vater zu Eigen war. Ich fasste etwas Mut und musterte ihn. Er war ein wenig kleiner als ich, hatte dunkelbraunes Haar und blaue Augen, genau wie sein Vater. Er trug eine fleckige Hose und ein dreckiges Hemd und sein Gesicht war über und über mit Schlamm und kleinen Blättern bedeckt. In seiner Hand hielt er einen Stock, den er nun vor meinen Augen hin und her schwang. “Was ist?“ wollte er wissen. „Willst du jetzt die ganze Zeit da stehen und mich anstarren? Los, lauf weg! Du bist ein Räuber und ich bin ein Ritter!“
Aufgrund seiner Art mit mir zu sprechen und seines Äußeren verlor ich jegliche Scheu vor ihm. Ich wandte mich um und fing an zu laufen. Ich hörte ihn hinter mir durchs Unterholz brechen, das Laub raschelte, die Äste knackten unter seinen Füßen, genau wie bei mir. Er schwebte gar nicht über dem Boden, so wie ich es erwartet hatte.
Aus der Begegnung im Wald wurden viele mehr und es dauerte nicht lange, da waren wir richtig gute Freunde geworden. Wir steckten jeden Tag zusammen und waren unzertrennlich.
So blieb es auch, als wir älter wurden. Mein Vater sah unsere Freundschaft gerne, denn wir streiften nicht nur durch den Wald, ich lernte von Tinus auch viel über das Leben am Hof und höfisches Benehmen

Für meinen Vater stand außer Frage, wie meine Zukunft aussehen würde: Ich würde später, genau wie er, ein angesehener Ritter des Königs werden. Deswegen war meine Freiheit mit meinem zehnten Geburtstag zu Ende. Vorbei waren die Tage, an denen ich tun konnte, was ich wollte, nun hieß es lernen, lernen, lernen. Zusammen mit vielen anderen Jungen in meinem Alter wurde ich im Reiten, im Schreiben und Lesen und natürlich im Schwert- und Nahkampf unterrichtet.
Am Anfang stellte ich mich nicht besonders geschickt an. Beim Reiten war ich derjenige, der am häufigsten aus dem Sattel stürzte, die Buchstaben konnte ich mir, so sehr ich mich auch bemühte, einfach nicht merken und ich war viel zu schwach, um das Schwert gerade zu halten, so dass ich zuerst immer mit einem Holzschwert üben musste und von den anderen sehr von oben herab behandelt wurde.
Ich war schon immer eher schmächtig gewesen und es dauerte einige Zeit, bis ich endlich genug Muskeln aufgebaut hatte, um bei den Übungen wenigstens einigermaßen bestehen zu können.
Von da an ging es immer besser. Schon bald war Hürdenspringen und sogar Rückwärtsreiten kein Problem mehr für mich und ich erkämpfte mir die Achtung meiner Mitschüler wieder zurück. Auch im Lesen und Schreiben machte ich Fortschritte. Meine Mutter hatte mir ein dickes Buch über alte Mythen und Legenden von Eslin gegeben, ich stürzte mich auf die beschriebenen Seiten und konnte gar nicht genug bekommen von all den Heldengeschichten. So lernte und behielt ich die Buchstaben fast wie von selbst.
Doch der Schwertkampf wollte und wollte einfach nicht besser werden. Ich hatte gelernt, dass ich kräftiger wurde, wenn ich so oft wie möglich schwere Gegenstände in die Luft stemmte, aber egal, wie oft ich es auch wiederholte und wie kräftig ich mich auch fühlte, stocherte ich in den Übungskämpfen nur hilflos mit dem Schwert herum und mein Gegner besiegte mich mit Leichtigkeit. Ich war verzweifelt, aber noch verzweifelter wurde ich, wenn ich sonntags nach der Messe meinem Vater die Fortschritte zeigen sollte, die ich gemacht hatte, aber keine vorweisen konnte. Er schrie mich nicht an oder bestrafte mich, aber in seinen Augen stand die Enttäuschung und sie traf mich härter als jeder Schlag.
„Ich werde sicherlich niemals ein Ritter werden,“ sagte ich eines Tages und sprach damit laut aus, was ich schon seit Wochen im Stillen dachte.
Tinus, der mit dem Rücken am Koppelzaun lehnte, einen Grashalm zwischen den Zähnen drehte und zusah, wie sich im Westen Gewitterwolken zusammenballten, erwiderte nichts.
„Mein Vater ist so enttäuscht von mir, dass ich kein Ritter werde,“ sagte ich lauter. Ich wollte Trost und Zuspruch haben, aber wieder reagierte Tinus nicht.
„Ich tauge zu gar nichts, ich werde Schande über unsere Familie bringen,“ jammerte ich weiter und endlich drehte er sich zu mir um und nahm den Grashalm aus dem Mund. Aber wenn ich auf Ermutigung und Anerkennung gehofft hatte, so wurde ich bitter enttäuscht. „Manche Menschen sind nun einmal nicht für den Schwertkampf gemacht,“ erwiderte er schlicht. An meinem Gesicht erkannte er sofort, dass es nicht wirklich das war, was ich hatte hören wollen und er suchte nach Worten, um mich aufzuheitern. Tinus war ein wenig ungeschickt im Umgang mit den Gefühlen anderer Menschen, ich leitete das daraus ab, dass er die meiste Zeit seines Lebens allein verbracht hatte und ich, soweit ich wusste, der Einzige war, der ihm einigermaßen nahe stand.
Er blickte mich einen Moment mit schräggelegtem Kopf ab, dann machte er eine rasche Handbewegung zu seinem Gürtel und zog das Schwert, das dort hing. Er war natürlich schon geübt im Kampf, er hatte einen Lehrer, der sich nur um ihn kümmern konnte und nicht noch auf sechs andere Jungen achten musste.
Er hielt es mir hin. „Zeig mir, was du kannst! Dann werden wir ja sehen, ob du zu etwas taugst, oder nicht!“
Ich fing an mit meinem wilden Herumgestochere, er hielt mich zurück und sagte mir, was ich anders machen sollte. Er sprach gut verständlich, aber trotzdem konnte ich das, was er sagte, nicht richtig umsetzen.
Er beobachtete mich stirnrunzelnd und schüttelte den Kopf. „Das sieht wirklich sehr merkwürdig aus,“ meinte er schließlich. Er kaute einen Moment auf der Unterlippe herum und schließlich lächelte er mich an. „Mit welcher Hand schreibst du?“
Ich hob die Linke. „Damit.“
Sein Lächeln wurde breiter. „Gut und jetzt nimmst du das Schwert einfach mal in diese Hand und machst alle Übungen noch einmal.“
Ich tat wie geheißen und es ging besser, viel besser sogar.
Wir gingen noch einmal alle Übungen durch, die mein Lehrer mit mir gemacht hatte und ich war selbst ganz begeistert von mir, dass ich es nun so gut schaffte. Das und Tinus’ lobende Worte bewirkten, dass ich mich am Ende fühlte, als wäre ich einen halben Meter gewachsen.
Als die ersten schweren Tropfen vom Himmel fielen und das Donnern gefährlich nahe gekommen war, nahm Tinus sein Schwert zurück. Er nickte mir anerkennend zu. „Ich wusste doch, dass du keine Schande über deine Familie bringen wirst. Darrien wird sich vor Überraschung nicht halten können, wenn er dich morgen sieht.“
Ich dachte an meinen Lehrer, an sein skeptisches Stirnrunzeln, das immer erschien, wenn er sich mir zuwandte, und grinste. „Ja, das glaube ich auch. Ich bin schon richtig auf sein Gesicht gespannt.“
Als wir die Burg erreicht hatten, regnete es bereits in Strömen und wir waren völlig durchnässt. Trotzdem drückte ich Tinus’ Hand noch einmal fest, als wir uns vor dem Haupthaus trennten. „Ich danke dir,“ sagte ich. „Ich wüsste nicht, was ich ohne dich gemacht hätte.“
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