Einzelnen Beitrag anzeigen
  #1  
Alt 26.03.2011, 19:08
Benutzerbild von Lin
Lin Lin ist offline
Drachentochter
Waldelfe
 
Registriert seit: 03.2011
Beiträge: 48
Der gefallene Engel

Diese Kurzgeschichte habe ich mal für einen Schreibwettbewerb geschrieben und dachte, ich stell sie einfach mal hier rein :)
Bitte schreibt, was ich schlecht mache, was ich verbessern kann und jede Art von Kritik ;)^^






DER GEFALLENE ENGEL


Der zunehmende Mond warf seinen glänzenden, weißen Schein auf den Weg zum Wald hinab. Dabei war er jedoch kaum zu erkennen, da er mit dem bereits gefallenen Schnee verschmolz.
Der nächtliche Himmel war in jener Nacht von Wolken umgeben, die dem Willen ihrer düsteren Seele folgten und den Mond immer wieder zu verschleiern versuchten. Die Sterne führten ebenfalls eine hoffnungslose Schlacht gegen die Wolken, welche sie ihres Zierbildes beraubten.
Der Pfad zum alten Wald, der wegen des Schnees fast nicht zu ergründen war, wurde von Blutperlen so tiefrot wie Rubine besudelt. Sie durchkämmten den ganzen Weg, bis ihre Spur bei einem Wesen endete, das sich geräuschlos wie ein Schatten und benebelt wie ein Schemen bewegte.
Es begab sich in den weißen Hain hinein, ging langsamen, betrübten Schrittes, ohne der Absicht aus der Melancholie jemals zu erwachen.
Die Bäume trugen lange schon keine Blätter oder Blüten mehr, aber nun wurden sie von Schnee besetzt, der ihre Leblosigkeit unterschlug.
Der Weg geleitete das Geschöpf zu einer Brücke, die über einem vereisten Fluss errichtet und deren Schnee noch vollkommen unberührt war.
Sein Gang verlangsamte sich, klang aus und es blieb stehen, wobei es sich nun an das Brückengeländer lehnte und seinen Blick über den verschneiten Wald schweifen ließ.
Feine Blutlinien strömten von dessen Arm hinab und wurden vom Schnee am Boden aufgefangen. Es heftete seinen Blick daran und versank in tiefe Gedanken, während der Schnee ruhelos auf sein kohlschwarzes Haar und auf seine purpurroten Flügel fiel.
»Warum legst du dein Gewissen nicht ab, sondern schwelgst in Gedanken an unsere Taten?« erklang jählings eine ruhige, doch charismatische Stimme.
Das Wesen drehte sich unvermittelt um und breitete instinktiv seine Flügel gänzlich aus. Aber sogleich erblickte es das Gesicht seines Gefährten, das trotz der Blässe wundervolle Züge besaß und senkte sie wieder.
»Weil wir Mörder sind«, antwortete es flüsternd.
»Wir sind Dämonen, vergiss dies nicht«, sagte der Gefährte. »Der Tod anderer ist unsere Lebensflamme. Erweise dich als glücklich, ein Wesen solcher Art zu sein, kein Mensch kann dich berühren, kein Mensch könnte je deine Schönheit besitzen, meine begehrenswerte Dämonin.«
»Das abtrünnige Menschenvolk ist mir gleichgültig!« rief sie. »Weshalb müssen wir unseren Lebensgefährten den Tod bringen? Unseren Geliebten, unseren Gleichgesinnten! Das Wissen, ihr Mörder zu sein, reißt mich mit in die Tiefe!«
Ihre Stimme verursachte einen Echo, wobei gleich nichts als Stille im Wald herrschte.
Atemzüge vergingen, ihr Gefährte näherte sich ihr rasch und legte seine Arme um sie.
». . .Und eines Tages wirst auch du mich umbringen, mein Gefährte«, hauchte sie.
Er nahm seine Arme sogleich wieder fort und sah sie bestürzt an.
»Was. . .was redest du da? Du bist dem Wahn nahe, sprich nicht mehr.«
»Man darf sich ihren Erlassen nicht widersetzen und sie verheißen, dass alle planmäßigen Morde verübt werden müssen. Wenn man sich weigert - «
» - wird man selbst von ihnen umgebracht, ich bin mir dessen bewusst«, durchschnitt er ihr Wort. »Doch es ist eine Seltenheit, dass man dazu verpflichtet ist, seinen Weggefährten zu meucheln.«
»Und doch ist es nicht auszuschließen«, antwortete sie leise. »Und wenn es soweit ist, muss man eine Entscheidung treffen.«
Für einige Augenblicke schwiegen sie.
»Die Entscheidung zwischen Ehre und Liebe«, sprach er schließlich.
»Ja«, flüsterte sie. »Obwohl beides sinnlos ist, denn die Dämonen besitzen keine Ehre, sie versuchen sich jene zu erstellen, aber durch Meucheln und Verlängern ihrer Lebenstage ist es unerreichbar. Und sie sind ebenfalls nicht in der Lage, Gefühle zu empfinden, da sie seit Beginn ihrer Existenz nichts als Täuschung und Verrat vorweisen können!«
Langsam trat der Gefährte der Dämonin näher und nahm sie wieder in die Arme, legte seinen Kopf auf den ihren.
»Ein widerwärtiges Volk«, sprach sie beinahe geräuschlos. »Und ich gehöre ihm an!«
Sie schlug ihre Augen zu, die keine Pupille besaßen und deren Iris so grau wie Nebel war. Nun war sie nicht länger fähig, ihre Tränen zu unterdrücken, sie strömten an ihrem Antlitz hinab und fielen auf die Schulter ihres Gefährten.
»Das Leben eines Dämonen ist kostbarer als das verkommene eines Menschen«, sprach er. »Ich verstehe deinen Geist, dennoch nicht dein Herz. Während die Menschen sterben und ihre Schönheit immer und immer mehr verwelkt, bleibst du auf ewig anmutig und unantastbar! Du bist eine Aphrodite, eine Venus und unsterblich dazu!«
Vorsichtig löste sie sich aus seinem Halt und trat einen Schritt zurück. Ihr Blick fiel auf ihren Arm, der noch immer mit nicht getrocknetem, fremdem Blut beschmutzt war.
Dann sprach sie:
»Mein Herz ist rastlos und mein Geist unersättlich.«
Er schwieg, sah sie nur tiefgründig an.
»Bedeutet das etwa, dass ich keine Erlösung von meinem Leid finde? Dass ich keine Errettung von diesem Leben erwarten kann?«
Ihr Gefährte gab keine Antwort, er blickte ihr weiterhin entsetzt in die pupillenlosen Augen.
Die Dämonin brachte ihre Sohlen zum Fortgehen in Bewegung, der Dämon nicht von ihrer Seite weichend.
Nach Augenblicken setzte er sacht an:
»Feinde zu töten, Freunde zu beschützen. Dies ist ein Weg der Ewigkeit. Auch wenn du deine Ehre besudeln würdest, so fändest du Erlösung in der Ewigkeit.«
». . .was für ein Sinn verbirgt sich dahinter?« antwortete sie. »Sie sind doch alle Mörder.«
Sie blickte auf ihren Arm hinab, das Blut schien früher zu gefrieren als zu trocknen. Es hatte deutliche Wege gezeichnet, wie es in ihre Hand geflossen war, wie es auf den Boden getropft war. Ihr Blick fiel auf die Klauen an ihren Fingern, die nach all den Jahren der Unsterblichkeit trotzdem gewachsen waren und jetzt lang und scharf wie todbringende Dolche waren.
Sie seufzte tief und für eine Weile sprachen die beiden kein Wort aus, jeder befand sich in eigenen Gedanken.
Schließlich begann sie:
»Warum suchst du dir überhaupt einen Lebensgefährten aus, wenn du mit Gewissheit weißt, ihn eines Tages ermorden zu müssen?«
»Aus dem selben Grund wie du, schätze ich«, sagte er und lächelte flüchtig. »Wer möchte schon ein ewiges Leben besitzen, wenn er niemanden hat mit dem er es verbringen kann?«
Sie antwortete einige Augenblicke nicht.
»Ja«, sprach sie zweideutig, »es wäre unvorstellbar und grauenvoll. . .«
Die Dämonin hielt langsam ihre Schritte an und ihr Gefährte drehte sich zu ihr um, wobei er auch verharrte. Er sah sie an, versuchte ihre Gedanken zu ergründen, jedoch erfolglos.
»Du hast es richtig formuliert«, sagte er, »unvorstellbar und grauenvoll. . .«
Eine flüchtige Stille umgab die Dämonen. Sie blickte in seine unmenschlichen, blutroten Augen, wobei er ihren Blick erwiderte. Der Schnee fiel weiterhin, fiel auf seine Kleidung, fiel auf sein bronzenes Haar, fiel auf seine schwarzen Flügel, die mit den weißen Schneeflocken einen atemberaubenden Effekt auslösten.
»Doch gibt es einen Unterschied von dem und was ich im Augenblick fühle?« sagte sie und sah wieder ihre langen Klauen an. »Die Ewigkeit ohne dich wäre unvorstellbar, das gegenwärtige ewige Leben ist unerträglich.« Sie erhob ihre Hand und sah sich ihre Krallen genau an. ». . .nein, ich sehe keinen Unterschied.«
»Was hast du nun vor, meine schöne Dämonin?«
Langsam umspielte ein selbstgefälliges Lächeln ihre wohlgeformten Lippen, das mit jedem Augenblick breiter und hochmütiger wurde.
»Wir sehen uns in der Hölle.«
Blitzschnell hob sie ihre Hand in die Höhe über ihren Kopf, holte aus und stieß ihre Klauen in ihr Herz. Sie vergruben sich in ihrer Brust, umfassten es und rissen es flink heraus. Das Blut strömte hervor als wäre es einem Bach entsprungen und in ihrer Brust befand sich ein großes Loch.
Die Dämonin hielt ihr Herz fest umschlossen, sie spürte bereits, wie dessen Wärme dahinschwand und es absolut keine Regung mehr von sich gab.
So verharrte sie für einen Atemzug bewegungslos wie eine Skulptur, bis der Tod sie gänzlich erreichte und sie rücklings zu Boden stürzte.
Das Blut floss über ihren Körper, über ihre Flügel und durchtränkte den weißen Schnee.
Ihr Herz hielten ihre Klauen fortwährend umschlossen, während der Schnee fiel und die Dämonin wie ein Schleier umhüllte.
__________________
»Dies ist das wunderbarste Gefühl, das mein Herz jemals würdig gewesen ist zu empfinden; und es ist meinem Herzblut gänzlich geringwürdig, dass dieses Gefühl nur ein Trugbild ist.«
Mit Zitat antworten