Einzelnen Beitrag anzeigen
  #5  
Alt 30.03.2011, 11:03
Benutzerbild von Hobbyschreiber
Hobbyschreiber Hobbyschreiber ist offline
Drachentoeter
 
Registriert seit: 05.2010
Ort: Zumindest nicht mehr hier!
Beiträge: 1.048
Großes Lob für Dark Umbra für ihre fleißige und wieder einmal extrem kompetente Beurteilung. Selbst wenn ich aktuell mehr Zeit und Lust dazu gehabt hätte, wäre mein Kommentar bestimmt nicht so qualifiziert ausgefallen. Aber jetzt brauche ich ja auch nicht mehr ...

Ich wollte gerne kurz auf Deine ursprüngliche Frage eingehen, welcher der beiden Abschnitte der bessere sei, Anula. Sprachlich und schriftstellerisch sind sie einander sehr ähnlich. Kein Wunder, denn sie stammen ja von der selben Autorin. Um beurteilen zu können, welche Buchidee besser ist, müsste man mehr über Deine Pläne zum Plot wissen. Im Moment kann man nur die Ideen an sich beurteilen.

Grundsätzlich sind beides recht hübsche Ansätze, die allerdings beide nicht viel Neues erkennen lassen. Beim ersten Abschnitt bin ich spätestens bei der Bezeichnung "Herr der Diebe" sehr zusammen gezuckt. Selbst, wenn Du bei der Wahl dieses Titels mehr an Robin Hood gedacht haben solltest, denkt jeder Leser doch vermutlich sofort an das gleichnamige Buch von Cornelia Funke. Schon allein das vermutete jugendliche Alter Deiner Protagonistin trägt dazu bei. Wie gesagt, einem Viel-Leser springt viel Vertrautes ins Auge und er entdeckt viele oft benutzte Klischees bis hin zu Charles Dickens´ Oliver Twist. Wenn Dich das nicht stört: Arbeite weiter daran. Es ist wie gesagt ein hübscher Ansatz, wenn Du auch unbedingt auf Dark Umbras Tipps hören solltest und insbesondere immer wieder auf Logikfehler (Feuer im hölzernen Baumhaus wenn, dann nur in einer keramischen Feuerschale) achten musst. Du musst Dein Geschriebenes viel kritischer hinterfragen.

Die zweite Geschichte mit dem Wolf liest sich auf den ersten Blick etwas orgineller, obwohl dem Leser auch hier bekannte und beliebte Klischees ins Auge springen. Die Elbin als Findelkind, ein Wolf als ihr Freund und Spielgefährte, ... wie gesagt, ...
Sprache, Satzbau und "Erzählkunst" (klingt schwülstig, aber mir fällt kein passenderes Wort ein) erscheinen hier noch schlichter als beim ersten Abschnitt. Bei allen hübschen Ideen, die man Deinem Prolog ansieht, fehlt es noch ein bisschen an Details, an realistischen Abläufen. Nimm Dir mal selber Deinen Text vor und versuch ihn zu lesen, wie ein Fremder es tun würde, oder wie Du es tun würdest, wenn der Text Anfang eines möglicherweise zu kaufenden Buches wäre. Wie findest Du ihn? Spricht er Dich an? vermutlich ja, weil das Thema Dir sicher gefällt. Sonst hättest Du es nicht für Dein Buch gewählt. Gefällt Dir auch die Erzählweise? Findest Du sie lebendig und realistisch? Den Dialog mit dem Wolf hast Du so lebendig hingekriegt. Und dann kommt der Abbruch des Spiels, Deine Protagonistin wird nach Hause gerufen und die vermeintlichen Eltern klatschen ihr die Tatsache ins Gesicht, dass sie ja jetzt 16 <Jahre alt ist und erfahren sollte, dass sie ein Findelkind ist. Und worüber grübelt sie nach? Dass sie sich an die ersten zwei Jahre ihres Lebens nicht erinnert. Aufgewühlt und wortlos rennt sie weg. Dieser Absatz ist Dir nicht gelungen. Ein Ehepaar, das ein Kind vierzehn Jahre lang wie das eigene aufzieht, wird doch sicherlich in so einer Situation etwas mehr rumeiern. "Weißt du, Liebes, wir waren uns nicht sicher, ob wir es dir überhaupt sagen sollten, ... Du eißt doch, wie lieb wir dich haben, ... aber bestimmt ist dir scho aufgefallen, dass du dich von den anderen Kindern unterscheidest, ... Wir hatten uns so lange vergeblich ein Kind gewünscht, ... und dann haben wir dieses unglaublich hübsche kleine Mädchen im Wald gefunden, ganz alleine und so verweint, ... erst wollten wir dich ja nur mit nach Hause nehmen, damit du dich aufwärmen und etwas essen kannst, und damit wir dich fragen können, wer deine Eltern sind, aber dann bist du so schnell eingeschlafen, ... natürlich haben wir in den Tagen und Wochen darauf überall nachgefragt, aber keiner kannte dich oder deine Eltern, und du warst so süß und liebenswert, ... und wir schlossen dich so sehr ins Herz, dass wir dich schließlich nicht mehr hergeben konnten, ... aber nun ist es einfach an der Zeit, dass du die Wahrheit erfährst. Es wäre nicht recht, dich darüber im Unklaren zu lassen.

Na, und so weiter. Verstehst Du, was ich meine? Mehr Leben, mehr Liebe und Gefühl. Nicht nur "Was tun die Leute", sondern auch "Warum" und "Wie".
Bei spitzen Ohren zucke ich immer zusammen. Wer hat eigentlich erfunden, dass Elben spitze Ohren haben müssen? Tolkien hat dergleichen nicht erwähnt. Abner ich verstehe, dass andere Leser von der Nichtmenschlichkeint, oder vielleicht eher Beinahemenschlichkeit und Bessermenschlichkeit der Elben fasziniert sind, von ihrer Schönheit, ihrer Naturverbundenheit, ihrer Unsterblichkeit (?), und gerne mehr darüber lesen möchten.

Lass Dich von meinem Gemecker nicht entmutigen. Ich bin furchtbar pingelig und das ist grundsätzlich kein Maßstab für gutes oder schlechtes Schreiben. Andere beurteilen Deine Texte bestimmt ganz anders.
Beide Ansätze finde ich lohnend, unter Berücksichtigung der genannten Kritikpunkte, aber den zweiten finde ich (persönlich) orgineller. Also wäre mein Vorschlag, dass Du zunächst an dem weiter arbeitest.
Mit Zitat antworten