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Alt 11.09.2012, 23:05
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Nephthys Nephthys ist offline
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@ Ravenchant: ich werde mir noch die Zeit nehmen ausführlich auf dein letztes Post zu antworten. Zwischen Tür und Angel mag ich nicht :-)


Sö, liebe Freunde der Fantasy,

ich habe mich entschlossen den Rest der Geschichte einzutellen.
Wie immer gilt mein Dank denen, die sich die Mühe gemacht haben bis hierher zu lesen und sich zudem die Zeit genommen haben mit konstruktiver Kritik zu antworten!
Falls ich darf, würde ich an dieser Stelle ein letztes Mal eure Unterstützung in Anspruch nehmen wollen.

Wie bereits angekündigt, würde ich gern (nach einiger Zeit) "abschließend" die von euch vorgeschlagenen Änderungen / Korrekturen einarbeiten. Damit ihr seht, dass ich eure Vorschläge gern annehme. :-)



„Du solltest um unser aller Leben willen lieber mir das Reden überlassen“, sagte der Händler zu seinem bewaffneten Begleiter während er nach vorn, die Straße entlang, nickte.
Auf dem Helweg, der bald
Trotmanni erreichen würde, hatte sich eine Menschenmenge versammelt. Sie hatte die Reisegruppe noch nicht entdeckt, sondern schien sich auf eine Siedlung zu konzentrieren, die durch die rußigen Spuren gebrandmarkt worden war. Einige Häuser wurden offenbar wieder aufgebaut, denn regelmäßiges Klopfen hallte über die Ebene und improvisierte Kräne ragten in den Himmel.
Mathilde wusste inzwischen, dass der Händler, der sich Lienhart nannte und seit dem Ende seiner Kindheit als fahrender Händler unterwegs war, gern und viel redete. Aber - so hatte sie bei den Gesprächen, die er mit den anderen Reisenden führte, bemerkt - er hörte auch zu. Und so hatte sie Vertrauen darauf, dass er die richtigen Worte finden würde. Sie hoffte zudem, dass der bewaffnete Contzlin klug genug sein würde, dem Befehl des Händlers zu folgen. Sie war sich recht sicher, dass es sich bei der zerstörten Siedlung um die selbe handelte, von der Lienhart zu Beginn ihrer Reise gesprochen hatte. Und wenn sie mit ihrer Vermutung richtig lag, dann würde die Stimmung nach wie vor gefährlich sein. Vor allem für eine Frau wie sie.
„Gott zum Gruße“, rief Lienhart, als sein Wagen an der Menge vorbei rumpelte. Es wirkte nicht so, als wolle er die Reisegruppe anhalten lassen. Aber zwei kräftige, in Sarrocks gekleidete Männer stellten sich ihm in den Weg und zwangen ihn dazu, seinen Wagen zum Stehen zu bringen.
„He, Händler“, rief einer der Männer, während er in das Zaumzeug des Maultieres griff, das vor den Wagen gespannt war, „was hast du geladen?“
Contzlin legte eine Hand auf seinen Schwertknauf. Lienhart gestikulierte ihm knapp, er solle seine Waffe los lassen, ehe er antwortete: „Och, so dies und das. Was könnt ihr gebrauchen?“
Ein älterer Mann löste sich aus der Menge, die am Siedlungsrand stand und schlurfte zu den Händlern herüber. „Gebrauchen könnten wir wohl alles, was du zu bieten hast“, keuchte er. Eine junge Frau beeilte sich den Alten zu stützen, wich den Blicken der Sarrocks aus und presste ihre Lippen aufeinander. „Nur bezahlen können wir nichts“, fuhr der Mann mit einer ausschweifenden Geste, die vor allem die Gebäudereste mit einschloss, fort. „Wie du siehst brauchen wir jeden Pfennig.“
Mathilda betrachtete die Häuser. Es waren nicht alle zerstört worden. Es waren nur eine Hand voll Gebäude niedergebrannt. Zwischen den verkohlten Balken erhob sich etwas sehr schmales und sehr dunkles. Die Stelle, an der es den Boden berührte, war verdeckt. Dennoch konnte sie sich nur zu genau denken, was sie dort würde sehen können.
Der Alte war ihrem Blick gefolgt. „Die Heilige Inquisition hat sie mit Gottes Hilfe gefunden. Es ist kaum zu glauben, aber sie hat mitten unter uns gelebt.“
„Eine Schande ist so was“, sagte Lienhart, „scheints, nirgendwo sind wir sicher vor der Teufelsbrut.“
Der alte Mann nickte erst und schüttelte dann bekümmert den Kopf. „Sie war meine eigene Tochter. Stellt es euch vor: Sie ist in den gleichen Mauern aufgewachsen, die sie niedergebrannt hat.“
„Und dafür hat sie am Ende ebenso gebrannt“, brummte der Sarrock.
Mathilde tanzten Bilder zuckender Leiber, schreiender Münder und kochenden Fleisches vor den Augen. Sie hatte schon viele Scheiterhaufen brennen sehen. Viel zu viele.
„Fast wäre sie davon gekommen“, ereiferte sich die junge Frau an der Seite des Greises, „sie hat …“ Ein strenger Blick des Alten ließ sie verstummen.
„Sie wurde durch die Flammen vor Gott geläutert“, sagte er mit fester Stimme. „Lasst uns nicht mehr davon sprechen.“
Er wandte sich an Lienhart. „Wir können uns nichts leisten.
Ich wünsche ich euch eine sichere Weiterreise.“


Sie straffte ihre Gestalt, strich sich die Haare ein letztes Mal sorgfältig unter die Haube, ehe sie den schweren Türklopfer betätigte.
Es dauerte einen Moment, ehe sie hinter der Tür Schritte hören könnte. Dann wurde ihr geöffnet. Ein Mädchen, dessen Bekleidung es als Bedienstete auszeichnete, sah sie fragend an.
„Ich bin hier um deinen Herrn zu sehen“, sagte Mathilde.
Das Mädchen zögerte, ehe es leise ansetzte: „Es tut mir leid, aber der Herr ist krank. Mir wurde aufgetragen, niemanden …“
Mathilde zog die Augenbrauen zusammen. Sie hatte nicht vor, sich von einer Magd abweisen zu lassen. „Das ist mir bekannt. Deshalb bin ich hier.“
„Aber ich …“, begann es und wich Mathildes Blick aus.
„Geh und hol mir die Tochter deines Herren an die Tür“, verlangte Mathilde grob. Sie lugte durch die Tür, und schmerzliche Erinnerungsfetzen flackerten durch ihre Gedanken, während sich die Dienstbotin eilig ins Innere des Hauses zurück zog und die Tür hinter sich schloss. Mathilde hatte es zwar befürchtet, aber nicht wirklich erwartet, dass dieser Gang derartig schwer werden würde. Während sie vor dem großen Haus stand, überlegte sie, ob sie nicht einfach kehrt machen und wieder zurückkehren sollte. Aber dann wurde die schwere Eichentür erneut geöffnet und eine Frau, ein wenig jünger als Mathilde selbst, schob sich in den Eingang. Sofort breitete sich ein breites Lächeln in ihrem Gesicht aus. „Mathilde!“ Sie trat zur Seite und ließ Mathilde eintreten. „Komm herein!“ Die Stimme der anderen hatte sich verändert. War tiefer geworden, zittrig. Genauso zittrig, wie ihr Gesicht faltig geworden war. Aber das waren sie inzwischen wohl beide: faltig. Alt.
„Wo ist er?“, fragte Mathilde.
Das einladende Lächeln der anderen wurde schmaler, als ihr offenbar bewusst wurde, dass Mathilde ihre Freude nicht teilte, bis es schließlich ganz erstarb. „Er ist oben“, erwiderte sie dann kühl.
„Danke“, sagte Mathilde und schob sich an der Anderen vorbei. Während sie auf die Treppe zusteuerte, fügte sie hinzu: „ … auch für den Brief.“
Sie ließ ihre Schwester hinter sich zurück und stieg die knarrenden Stufen empor.
Am Ende eines schmalen Flurs gab es eine geschlossene Tür. Mathilde hätte ihre Erinnerungen nicht gebraucht, um das elterliche Schlafzimmer wiederzufinden. Der Geruch nach Alter und Krankheit schlug ihr schwer entgegen.
Sie trat in das Zimmer ein, ohne zu klopfen.
Zwischen allerlei Fellen und Kissen lag ein abgemagertes Gesicht. Blasse Augen suchten den Türrahmen und flackerten kurz, als sie Mathilde erkannten. Dann wanderten sie wieder zurück und saugten sich an der Decke fest. Der halb geöffnete, schmallippige Mund gab ein leises Stöhnen von sich, gefolgt von einem schwachen „Du bist es.“
Mathilde ging zum Bett, stellte sich daneben auf und schaute auf den sterbenden Mann herab. Es fiel ihr schwer ihn mit dem kräftigen, stolzen Menschen in Zusammenhang zu bringen, der er einst gewesen war.
„Ja.“
„Du bist gekommen.“ Seine Augen waren noch immer zur Decke gerichtet. Die fahle Haut glänzte im düsteren Licht, das sich durch ein kleines Fenster den Weg in das Zimmer erkämpfte.
Sie antwortete ihm nicht. Stattdessen zog sie sich einen Hocker an das Bett und setzte sich darauf, ohne um Erlaubnis zu fragen. Damals, vor fast einem ganzen Leben, hätte sie sich das nicht gewagt.
Seine Augen suchten jetzt wieder den Kontakt zu ihr. Sein Kopf drehte sich über die dicken Kissen in ihre Richtung. Sie konnte den Schädel durch die dünne Haut erkennen. Die dunklen Ringe, die blutleeren Lippen, die eingefallenen Wangen erzählten von seiner nicht mehr so fernen Zukunft.
„Ich konnte nicht anders“, sagte er. Seine Stimme klang zerbrechlich. Gänzlich anders als damals.
Sie schwieg. Unterdrückte die Antworten, die sie ihm seit damals immer wieder in Gedanken entgegengeschleudert hatte.
„Du musst mir glauben. Ich hatte keine Wahl.“
„Doch. Die hattest du“, brach sie mit leiser, beherrschter Stimme ihr Schweigen.
Sein Mund verzog sich. Sie konnte nicht entscheiden, ob es ein Lächeln war oder ein Ausdruck von Schmerz.
„Welche denn?“
„Du hättest zu ihr stehen können.“
„Ja. Das hätte ich. Und dann? Dann hätte man auch mich zur peinlichen Befragung gebracht.“
„So wie sie.“
„Ja, so wie sie. Und wer hätte sich dann um euch kümmern sollen?“
„Das hast du nicht“, es fiel ihr zunehmend schwerer, ihren Zorn zu verbergen.
„Nein? Und wer hat dafür gesorgt, dass du …“
„Dass ich weg gebracht wurde?“, unterbrach sie ihn.
Er rang rasselnd nach Atem, ehe er weiter sprach: „Es ist nicht ein einziger Tag, den der Herr hat werden lassen, vergangen, an dem ich nicht um Vergebung für meine Sünden gebetet habe. Nicht ein einziger.“
„Glaubst du daran, dass dir der Herr vergeben wird?“
Er schloss die Augen, wirkte erschöpft. Antwortete nicht auf ihre Frage.
Ihre Finger suchten nach dem Beutel, der an ihrem Gürtel hing. Fühlten nach dem Fläschchen. Sie überlegte, wie sie es anstellen konnte.
„Willst du einen Schluck Wasser?“
Seine Hand wühlte sich zur Antwort aus dem Fell heraus und dürre Finger, deren Gelenke geschwollen herausstachen, deuteten fahrig auf einen Krug und einen Becher, die auf einem Tisch standen.
Während sie aufstand öffnete sie den Beutel und nahm die Flasche heraus. Sie stellte sich zwischen Krug und Bett, entkorkte das Fläschchen und leerte seinen Inhalt in den Becher. Dann füllte sie ihn mit Wasser auf.
Als sie sich wieder herumdrehte, hatte er seine Augen wieder geöffnet. Er blickte sie neugierig an.
„Ich sterbe sowieso“, flüsterte er, „es ist nicht nötig, dass du dein Gewissen belastest.“
Sie lächelte mitleidig.
„So Gott will, werde ich bald diese Welt verlassen. Dann finde ich hoffentlich Frieden“, murmelte er.
Um ihm zu zeigen, dass sie nicht beabsichtigte, ihn zu vergiften, nahm sie selbst einen Schluck aus dem Becher und ließ das fast geschmacklose Wasser ihre Kehle hinab rinnen.
Dann half sie dem alten Mann auf, und legte ihm das Gefäß an die Lippen. Möglicherweise roch er die Flüssigkeit, die sie zugesetzt hatte, dennoch trank der Sterbende nach einem kurzen Zögern. Sie nahm den Becher von seinem Mund, als er ihn restlos geleert hatte.
„Du musst mir glauben: es gab für mich keine Wahl. Als er,“ sie war sich sicher, dass er von dem Kaufmann sprach, der damals bei ihnen gewesen war, „gesundete, hatte sein Weg ihn unverzüglich zur Inquisition geführt.“
Sie legte ihn vorsichtig wieder zurück auf das Bett. Sein Körper schien zu versinken.
„Kein Tag ohne die Schuld“, seufzte er.
Sie nickte. Sie wusste es. Ihre Schwester hatte es ihr geschrieben. Sie hatte geschrieben, dass er Nächte lang nicht schlafen konnte, dass er von Albträumen geplagt wurde, dass er des Nachts den gesamten Hausstand mit seinen Schreien weckte, dass er sich den erlösenden Tod wünschte.
„Wirst du mir vergeben?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Nein,“ sagte sie, „das werde ich nicht.“
Sie sah seine Hoffnung zerbrechen, ehe sich seine Augen schlossen und Tränen an den Wangen entlang liefen.
Sein Körper entspannte sich.
Sie stieg die Stufen wieder herab, begleitet von seinem gleichmäßigen, leisen Schnarchen. Mathilda war nicht das, was sie Hexe nannten. Sie war kein schlechter, vom Teufel besessener Mensch. Im Gegenteil: sie war Heilerin, genau wie es ihre Mutter gewesen war.
Er – ihr Vater – würde nicht sterben. Noch lange nicht. Sie hatte ihm Jahrzehnte geschenkt. Noch viel Zeit, in der gebrochen und leidend an die Nacht zurückdenken konnte, in der er tatenlos dabei zu gesehen hatte, wie ihre Mutter verbrannt worden war.



Es grüßt

Nephthys
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Wieso eigentlich ... sind Drachen weise? Das sind Echsen, liebe Leute. Echsen! Habt ihr euch schon mal nen Gehirn von einer Echse angeguckt? Himmel! Da haben meine Meerschweinchen größere Gehirne - und die finden nicht mal den Weg aus ihrem Käfig raus.
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Wer sich für Fantasy, Kurzgeschichten, Betrachtungen zur Sci-Fi, darstellerisches Handwerk, Computerkunst, Rezensionen, Biologie, Histologie, Taxonomie ... interessiert, der wird hier fündig: Marinas (fantastische) Welt
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