Mirian fluchte laut. Sie strich sich die Haare nach hinten und überlegte was sie nun am besten tun sollte. "Mertt!", schoss es ihr durch den Kopf. Ja, dass würde wohl das beste sein. Mertt war zwar spezialisiert auf Gifte, doch er würde sich hoffentlich auch etwas aufs Heilen verstehen, oder zumindest ein paar Heilkräuter zuhause haben. Kurz ruhte sie sich noch aus, bevor sie schnell ihre Messer aufsammelte und danach mühsam Sytalia hochstemmte. "Vivi", schrie sie in die Nacht. Ein wenig Hilfe konnte sie nun schon gebrauchen. Langsam machte sie sich auf den Weg zurück nach Riht und achtete besonders darauf vorsichtig zu gehen und Sytalia so wenig wie möglich zu bewegen.
Sie waren noch nicht allzuweit gegangen, eineinhalb Stunden würde sie zurück nach Riht brauchen wenn nicht mehr. Es regnete in Strömen und Mirian wäre mehr als einmal fast ausgerutscht, da der Boden so schlammig war. Nach ungefähr einer Stunde wurde der Regen etwas weniger und es würde nicht mehr lange dauern bis sie Riht sehen würde können. Sytalia hatte sich bis jetzt noch nicht gerührt, doch Mirian überprüfte regelmäßig ihren Puls und Herzschlag, um sicher zu gehen, dass sie unterwegs nicht starb. Müdigkeit machte sich in Mirian breit und sie musste sich aufs äußerste zusammennehmen um Sytalia doch nicht einfach liegen zu lassen und alleine weiterzureisen. "Was ich da eigentlich tue.", murmelte sie böse und blickte düster geradeaus. "Und wenn Mertt jetzt nicht da ist, dann schwör ich dir...", sprach sie ihre Gedanken laut aus und der Rest ging in unverständlichem Grummeln unter.
Nach einer weiteren anstrengenden Stunde war Mirian am Westtor Rihts angekommen und brüllte hinauf zu Wachen sie mögen das Tor öffnen, eine Frau sei vom Pferd gefallen und sie müssten zu einer Heilerin. Etwas besseres war ihr nicht eingefallen und nach ein, zwei Augenaufschlägen öffnete sich das Tor und sie trat in die Stadt. Es war eines der wenigen guten Dinge in Riht, dass die Tore rund um die Uhr bewacht wurden.
Sie warf den Wachen zwei Silbermünzen zu auf dass sie nichts gesehen hätten und machte sich auf den Weg zu Mertt. Behutsam legte sie Sytalia auf dem Boden neben der Tür und hämmerte gegen das Holz. Es rührte sich nichts und sie schlug noch fester zu. "Mertt verdammt!", schrie sie und hörte einen Augenblick später jemanden lautstark die Treppe herunter trampeln.
"Was um alles in der Welt willst du?" Die Tür wurde aufgerissen und Mertt stand in weißem Nachthemd mit einer Kerze in der rechten Hand vor ihr. "Sie.", sie machte eine kurze Handbewegung zu Sytalia ehe sie jene wieder nahm und ins Haus trug. Mertt sah nur verwundert zu und griff sich an den Kopf.
"Ich hoffe sehr für dich du hast ein paar Heilkräuter zuhause. Wo kann ich sie hinlegen?", fragend sah sie ihn an.
"Ahm... Äh.. ja warte.", er stellte die Kerze ab und winkte Mirian in die Küche. "Leg sie auf die Bank. Ich sehe kurz nach." Mertt verschwand aus dem Raum.
Mirian legte Sytalia vorsichtig auf die breitere Bank, danach suchte sie ein Tuch und eine Schüssel welche sie mit Wasser aus einem Krug füllte und begann die kleineren Wunden im Gesicht und sonstigen Stellen zu säubern.
"Hier nimm das und legs ihr über die offenen Wunden. Ich gehe schnell zu Everenn.", er stellte zwei große Kerzen in einem einfachen Kerzenhalter auf dem Tisch ab und ging wieder die Treppe hoch um sich anzuziehen. Dann eilte er wie vorhin die Treppe herunter und verließ mit einem lauten Rumpeln der Türe das Haus.
Währenddessen versorge Mirian die Wunden mit den Heilkräutern. Die Minuten verstrichen und mehrmals nickte sie kurz ein, als sich die Haustür wieder öffnete und sie zwei Personen eintreten hörte. Mit schnellen Schritten kam eine Frau mittleren Alters in die Küche und Mirian erhob sich sofort um ihr Platz zu machen. Sie lehnte sich an die Wand und schlief halb ein. Sie hörte wie Stoff zerissen wurde und das plätschern von Wasser. Dann war es still, lediglich das leise Rascheln von Stoff, wenn sich die Frau bewegte, drang an ihr Ohr.
"Sie hat sich die Rippen auf der linken Seite gebrochen, ihren Unterarm verstaucht, ihr linker Unterschenkel ist ebenfalls verstaucht und ihr Fußgelenk gezerrt.", hörte sie die Frau mit rauer Stimme feststellen.
"Sie hat Blut erbrochen.", sagte Mirian.
Kurz sah die Frau auf und begutachtete Sytalia dann noch einmal schweigend. "Hm. Eine innere Verletzung. Schwierig. Sie sind so gut wie nicht zu behandeln. Ich kann ihr etwas aus Kräutern mischen, aber ich garantiere nicht, dass sie es überleben wird. Das einzig positive ist, dass es keine innere Verletzung der Atemwege ist, daran wäre sie schon lange erstickt."
Sie ging nochmals auf den Flur und holte einen großen und mehrere kleine Beutel. "Ich werde mich die Nacht um sie kümmern und wecke dich, falls ich dich brauche."
Mirian nickte und machte sie auf in das Gästezimmer. Sie hatte schon mehrmals bei Mertt übernachtet und wusste genau, welcher Raum welcher war. Sie ging mit schweren Schritten die Treppe hoch, öffnete die zweite Tür rechts und fiel in das schmale Bett.