Thema: Das Elixier
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Alt 05.06.2007, 20:30
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Fenni Fenni ist offline
Borussin
Inspirator aller Magier
 
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@scatha
danke für dein Lob, danke danke

So und weiter im Text

Ramika hatte, trotz ihres schweren Rucksacks keinerlei Schwierigkeiten, die Leiter herunterzuklettern. Als sie das letzte Viertel erreicht hatte, hielt sie plötzlich inne und beugte sich hinunter. Auch diesmal schwankte weder die Leiter noch sie selbst, aber ich trat trotzdem einen Schritt näher an die Sprossen heran.
Zu meiner Überraschung zog Ramika einen kleinen Dolch aus ihrem rechten Stiefel und begann an einem der beiden Seile, die die Leiter zusammenhielten, zu schneiden. Nachdem sie das linke Seil durchtrennt hatte, nahm sie sich des rechten an und sprang dann leichtfüßig zu Boden, als auch dieses Seil riss. Sie taumelte ein wenig und ich ergriff sie am Arm, wobei ich wiederum darauf achtete, einen Abstand zu ihr zu halten.
Sie betrachtete das Stück Leiter, das auf dem Boden lag und seufzte. „Es ist wirklich schade um die Leiter. Ich habe sie damals selbst gemacht und sie hat mir immer gute Dienste erwiesen. Aber ich kann nicht zulassen, dass sich jemand Fremdes über sie Zugang zum Schloß verschafft.“ Sie steckte den Dolch zurück in den Stiefel, ergriff die Leiterhälfte und warf sie in ein dichtes Gebüsch, das am Fuße des Felsen wuchs. Dann nickte sie mir zu. „Kommt.“
Sie ging los und ich trabte neben ihr her. Sie hatte einen sehr flotten Schritt und es fiel mir schwer, mit ihr mitzuhalten. So kamen wir sehr schnell voran und hatten das Schloß und das Plateau schon bald hinter uns gelassen.
Unvermittelt blieb Ramika stehen und wandte sie mir zu. „Bitte, ich weiß, dass wir keine Zeit mehr verlieren dürften, aber ich möchte mich noch von dem Schloß und dem Garten verabschieden.
Selbst, wenn ich gewollt hätte, ihrem bittenden Blick konnte ich nicht widerstehen. Ich lächelte sie an. „Ich kann Euch gut verstehen. Verabschiedet Euch ruhig.“
Sie wandte sich dem Schloß zu und versank in ihre Gedankenwelt. Stocksteif stand sie da und atmete so flach, dass ich es nicht sehen konnte.
Ich bemühte mich krampfhaft, nicht an Zuhause zu denken. Um mich abzulenken, wandte ich mich dem Weg zu, den wir zu gehen hatten. Ich sah nichts außer einer endlos erscheinenden Graslandschaft, ohne Steine, ohne Bäume, die uns Nahrung oder Deckung geben konnten, wenn wir angegriffen wurden.
Als ich aus Eslin fortgegangen war, waren die Dunklen noch nicht bis dorthin vorgedrungen aber sie waren schon ganz nah gewesen und waren inzwischen vielleicht schon dort. Bilder von Dunklen, die die Burg stürmten erschienen vor meinem inneren Auge, ich ballte die Hände so fest zur Faust, dass sich meine Fingernägel schmerzhaft in meine Handflächen bohrten, damit die Bilder verschwanden. Schließlich hatte ich nicht darüber nachdenken wollen, wie meine Heimat überfallen wurde, sondern abwägen wollen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass die Dunklen bereits den Norden errech hatten. Sie erschien mir nicht besonders groß.
Ich spürte plötzlich eine Bewegung neben mir und als ich den Kopf wandte, blickte ich in Ramikas Gesicht. „Ich danke Euch von Herzen, dass ich mich verabschieden durfte. Aber nun kommt, lasst uns gehen!“
Nachdem wir einige Minuten schweigend nebeneinander hergelaufen waren, räusperte ich mich. „Seid Ihr schon einmal hier gewesen?“
Sie nickte und dann grinste sie plötzlich breit. „Ich weiß, was Ihr über mich denkt, wie Ihr mich seht, aber glaubt mir, so bin ich nicht. Mir ist bewusst, dass ich eine besondere Wirkung auf Menschen habe, sie sehen in mir ein gottgleiches Wesen, genau wie Ihr, aber das bin ich nicht! Vielleicht wäre ich es, wenn ich dort aufgewachsen wäre, wo ich wirklich hingehöre, ins Tal der Götter, aber das bin ich ja nicht. Nein, ich bin als Mündel eines Königs aufgewachsen, in der Obhut von drei wilden Jungen, die ich als meine Brüder sehe. Mein Vater war zwar immer sehr besorgt um mich, aber das hat mich nicht daran gehindert, mit meinen Brüdern herumzutollen .
Ich erzähle Euch das alles, damit Ihr Eure Ängste vor mir verliert. Ihr müsst mich nicht wie ein rohes Ei behandeln.
Aber nun zu Eurer Frage: Ja, ich war viele Male hier und bin durch die Steppe gewandert. Ich habe es zwar nie sehr weit gebracht, schon gar nicht bis hin zu den Bergen, aber einen kleinen Teil kenne ich doch.“
Ramikas Rede hatte mich völlig überrascht. Sie hatte den Elfen-Status in meinen Augen zwar schon verloren, aber ich hatte sie trotzdem als, wie sie es formuliert hatte, als gottgleiches Wesen gesehen. Jemand, der so aussah und solche Fähigkeiten besaß, konnte einfach kein normaler Mensch sein. Aber sie hatte mich eines Besseren belehrt.
Ich suchte einige Zeit nach Worten und war dabei rot bis über beide Ohren, weil sie meine Gefühlswelt so gut durchschaut hatte. Schließlich hatte ich mich wieder einigermaßen gefasst. „Ich…ich werde aufpassen, dass ich Euch nicht wie ein rohes Ei behandle,“ stammelte ich, dann holte ich einmal tief Luft „Gibt es hier eigentlich Dörfer? Oder Wälder?“
„Vorläufig nicht,“ antwortete Ramika. „Wir werden zuerst nur durch eine Landschaft voller Gras kommen. Aber viel weiter nördlich befindet sich ein Fluß. Dort gibt es dann auch wieder Dörfer und Wälder.“
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