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Alt 12.05.2014, 13:45
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Formorian Formorian ist offline
Dunkler Wanderer
Drachentoeter
 
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*ooops* eigentlich hatte ich nicht vor, das ganze Teil hier rein zu bringen,aber ...
ok, erst neugierig machen und dann abblitzen is nich, also hier die besagte Szene (Fsk: 12, hoffe ich doch )
Und ja, ich mach kleine, aber beständige Schritte

Sie hatten ihre Leiber abgelegt, wie gutsitzende Mäntel, derer sie momentan nicht bedurften. So war es die Art der Herren der Nacht, wenn es um ihr Vergnügen ging. Leiber waren nur Hüllen, Werkzeuge, die sie für ihre jeweiligen Vorhaben wählten wie der Arzt sein Besteck. Sie waren die Schattenbestie, die im Traumgebirge zu ihrer Lust die schreienden Träumer durch düstere Wälder scheuchte, der weise lächelnde Berater, der irgend einem Spielzeugkönig in seinem schäbigen Thron auf der Mittwelt leise Gift ins Ohr flüsterte, die Sterndeuterin, die mit bedeutungsvoller Miene die Schicksale der Ratsuchenden zu ihren Füßen zerbrach, das freundlich lächelnde Blumenmädchen mit der scharfen Klinge im Strauß und noch so viele mehr. Doch sie waren all diese Wesen nicht. Sie waren die Herren der Nacht.
Und nun, während ihre Lieblingsleiber in all ihrer düsteren Großartigkeit daniederlagen, tanzten Haltamir und Gihanbarq frei im Äther schwebend ihren berauschenden Liebestanz. Es war nicht die stümperhafte Vereinigung erdgebundener Kreaturen, derer sie sich hingaben, und die sich nur teilweise durchdrangen. Nein, ihre Vereinigung war wie alles, was sie mit Freude taten, absolut und vollkommen.
Und es hatte nichts zu tun mit der viehischen Befriedigung eines Überlebenstriebes, dem fleischliche Geschöpfe unterworfen waren. Solch oberflächliches Begehren war ihnen absolut wesensfremd. Ihnen ging es um die Kultivierung und Verfeinerung des eigenen Genusses, dem Übertreffen der eigenen süßqualvollen Leidensfähigkeit. Die hohe Kunst war es, in dem gegenseitigen Berühren jedes einzelnen ihrer unnatürlichen Atome und der allüberwältigenden Gegenwart des Anderen sein eigenes Selbst nicht aufzugeben und an ihn zu verlieren. So genossen sie das überwältigende Spiel des gegenseitigen Inbrandsetzens mit all ihrer in langen Äonen des Tanzens aufs unbegreiflichste Maß gesteigerten Empfindungsfähigkeit. Wo sterbliche Leiber längst in kaltem Schweiß gebadet wären, sterbliche Zungen durchbissen und sterbliche Herzen still ständen wie kalte Steine, da drängten sie weiter dem unbekannten Gipfel entgegen, von dem sie hofften dass sie ihn niemals erreichen würden.
Übertriff!
Da löste sich Haltamir mit einem Ruck von seiner Schwester. Er lächelte geheimnisvoll. “Wenn du oben angekommen bist, hast du nur die eine Wahl: Bleib wo du bist oder steig wieder herunter.”
Plötzlich auf brutalste Weise ernüchtert, ließ Gihanbarq ihren aufwallenden Zorn frei. Einer blutroten Kugel gleich wallte er mit Urgewalt in alle Richtungen des Äthers, was für die Geschöpfe der Mittwelt nichts Gutes bedeuten mochte. “Probierst du eine neue Variante? Wo mein Fuß gerade kurz davor stand, Neuland zu betreten? Heb dir diese Spielchen für ein andermal auf, oder für Kinsali! Komm zurück zu mir!”
“Denke nicht. Der Ort, an dem ich mich nun befinde, findet mein Gefallen. Ich werde ihn noch eine Weile erkunden. Warum sollte ich immer nur kochen, ohne mich jemals zu Tisch zu setzen?”
Mit einem gellenden Raubvogelschrei stürmte Gihanbarq auf ihn ein, einer entschlossenen Heeresmacht gleich, gewillt jeden Widerstand ohne Erbarmen zu überrennen und niederzuwalzen. Noch immer lächelnd wappnete sich Haltamir gegen den Zusammenstoß; die Wehrmauern errichtet, Zugbrücke hoch, Schützen auf die Zinnen.
Der Aufprall ihrer beider Willen ließ den Äther erzittern, dann kochen und Blasen schlagen. In allen Welten war er zu spüren. Der Urgrund Xordrris spie nie zuvor gesehene Kreaturen aus, um sie gleich wieder vergehen zu lassen und durch neue, noch wunderlichere zu ersetzen. Allerlei Unbill und Plage suchte die Mittwelt heim, des einen Last, des anderen Freude. Selbst in der Oberwelt erwachten die Herren des Tages aus ihrem geruhsamen Schönheitsschlaf und hoben überrascht die Köpfe.
Dann, als ihn das Spiel zu langweilen begann, ließ Haltamir seine Wehr in der freudigsten Erwartung fahren. Geborsten die Mauern, zertrümmert das Tor, erschlagen die Verteidiger. Mit wildem Triumph drang Gihanbarq in die zerschlagene Trutzburg ein und hielt ihr Fest, wie es dem Sieger gebührte, während Haltamir sich in der süßesten Kapitulation vor Genuss wand.
Beide schwebten noch eine geraume Weile im Nichts, die neue kostbare Erfahrung verinnerlichend.
“Das war nicht nach den zweiundsiebzig Regeln der Kunst”, meinte Gihanbarq schließlich, nachdem sie die Einzelteile ihres Selbst wieder beisammen hatte. Doch nun lächelte auch sie.
“Du warst wieder wie der blinde Stier”, gab Haltamir zurück. “Wenn es dir gefiel, dann lasse das nächste Mal Feinheit darin sein. Im Übrigen sind Regeln dazu da, gebrochen zu werden.”
“Das nächste Mal werde ich es sein, die es zu erobern gilt.” Damit schlüpfte sie zurück in ihren wartenden Leib. Haltamir tat es ihr nach, und erst da wagte es der gebannt beobachtende Ginshu in der geöffneten Tür, ein diskretes Räuspern von sich zu geben.
“Ihr hohen Herren, Euer gesegneter Bruder Dorgasur erheischt Eure sofortige Anwesenheit im Roten Haus. Es geht um eine Angelegenheit von äußerster Wichtigkeit.”
Er wusste, dass seine weitere Anwesenheit nun nicht länger erwünscht war, denn für einen Ginshu war er nicht der Dümmste. So machte er rückwärtsgehend seine Ehrbezeugungen und verschwand eilig um die nächste Ecke herum. In seinem Inneren kochte es, und unterhalb seines Gürtels stand er in hellen Flammen. Er würde den Druck loswerden müssen. Warum geschahen diese Dinge immer ihm?
Entschlossen stieß er einen schrillen Nasenpfiff aus. Sofort kamen einige Krizz aus allen möglichen Winkeln der Dunkelheit herbeigestürmt, so wie sie es immer taten wenn man sie rief, damit sie etwas beseitigten; die kalten Reste einer Mahlzeit etwa, oder einen allzu frechen Ginshu, der sich keine Freunde gemacht hatte. Wartend stellten sich die bepelzten kleinen Kreaturen auf die Hinterbeine, und er wählte aus. Eine von ihnen war ein wirklich hübsches kleines Ding, für einen Nager. Glänzende schwarze Knopfaugen, ölig schimmerndes Fell, neckische kleine Nagezähnchen … das Wasser begann ihm im Munde zusammenzulaufen.
Mit einem erschrockenen Fiepen warf sich die kleine Krizzdame herum und stob davon, und er stürmte hinterdrein, dem verheißungsvollen Objekt seiner Begierde nach.
Dreibeinig, wie er nun war, sollte es sich für ihn aber nicht als ein allzu leichtes Unterfangen herausstellen.
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Die klügsten und kreativsten Menschen werden von den phantasielosesten Vollpfosten niedergeschossen.

Geändert von Formorian (12.05.2014 um 13:47 Uhr)
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