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Alt 06.05.2014, 14:42
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Tessa Tessa ist offline
Vampirjaeger
 
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Die Portale des Narren - oder so ähnlich

Ok, Premiere ich stelle jetzt auch mal was von mir ein. Dabei geht es mir noch nicht mal so sehr um grammatikalische Fehler (Ich werde sie noch suchen lassen, sollte es je soweit kommen) sondern mehr um Gefallen und Spannung. Ist ein ganz neues Werk und sehr von dem Austausch hier inspiriert worden. Dem ein oder andere springen die Ursprünge vielleicht ins Auge...

Der Narr betritt die Taverne. Der Geruch von kaltem, abgestandenem Rauch mehrerer Jahre steigt ihm in die Nase. Noch geblendet von der Helligkeit des sonnigen Tages, sieht er in dem schummrigen Licht, des ihm so vertrauten Raumes erst mal nichts. Halb blind bahnt er sich um die dunklen Tische und Stühle seinen Weg zu Theke. Dabei wundert er sich wie immer, am Rande seines bewussten Denkens, dass hier nicht ein Möbelstück dem anderen gleicht. Für jeden Beobachter unbemerkt, hat er, nachdem er sich an die Dunkelheit gewöhnt hat, mit einem kurzen Rundumblick aus den Augenwinkeln, die Person am Feuer, die dunkle Gestalt in der Nähe seines Stammplatzes und die kleine Gruppe am einzigen Fenster wahrgenommen. An der Theke hält er Ausschau nach dem Wirt, aber außer einem schwarzen Panther, der ihn aus einem halb geöffneten Auge mustert, ist niemand zu sehen. Innerlich schmunzelnd zwinkert er dem Panther zu und setzt sich auf den Barhocker.

Er erweckt den Eindruck vollkommener Abwesenheit. Sein Blick ist getrübt und die Menschen in der Taverne vergessen schon bald seine Anwesenheit. Doch er ist hochkonzentriert und mit seinen übersinnlichen Gaben prüft er vorsichtig, ob jemand im Raum ihn noch wahrnimmt. Als er sich sicher ist, dass niemand ihn beobachtet und auf ihn achtet wirkt er einen kleinen Zauber.

„Der Wirt meinte aber doch, er wäre zuverlässig.“ Die Stimme war leise und ruhig, aber der Narr vermeinte einen leicht gereizten Unterton herauszuhören. „Aber ist er auch vertrauenswürdig? Wenn nur ein Gerücht an die falsche Stelle gelangt, dann ist alles verloren.“ Der zweite Sprecher ist etwas lauter und eindeutig ängstlich. „Das kann ich dir nicht sagen! Wie oft soll ich mich eigentlich noch wiederholen. Wir kommen hier nicht mehr alleine weiter und brauchen Hilfe.“ Jetzt hörte man eindeutig, dass der Besitzer der Stimme gereizt war. Der Narr riskiert eine vorsichtigen Blick Richtung Fenster. Das waren also die Gestalten, weswegen ihn sein alter Freund gerufen hatte? Es musste wirklich etwas wichtiges sein, sonst hätte dieser nicht riskiert, dass das Geheimnis des Narrs auffliegt.

Er beobachtet die drei Personen vorsichtig, während er weiter lauscht. Die gereizte Stimme kann er direkt dem kleinen, untersetzen Mann zuordnen. Die Kapuze verdeckt seinen Kopf und er kann nicht sehen, wie alt er ist, vermutet aber, dass er so um die fünfzig Sommer zählen müsste. Die ängstliche Stimme gehört einem blonden Jüngling, der zwar heruntergekommen aussieht, dessen Kopfhaltung aber auf Adel schließen lässt. Die dritte und letzte Person im Bunde, dreht ihm den Rücken zu und trägt, wie der Alte einen Umhang, sodass der Narr sich kein Bild machen kann. Aber ist da nicht eine geheimnisvolle Aura, welche die Person umgibt? Er fokussiert seine Gabe und versucht den Schleier zu erfassen. Er prallt gegen eine mentale Mauer und nimmt am Rande wahr, wie die Person leicht zusammenzuckt und sich dann unbemerkt aufrichtet.

Verdammt! Ich bin so... was ist... wow... mächtig... Idiot. Zwei Gedanken rasen durch seinen Kopf und er ist nicht mehr in der Lage sie fertig zu denken. Er atmet einmal tief durch und sortiert sein Wirrwarr im Kopf. Ich bin ein Idiot, wie konnte ich nur so unvorsichtig sein. Der Zauber ist mächtig. Was ist, wenn die Person gemerkt hat, dass sie berührt wurde. Ich muss vorsichtiger sein. Ich muss verdammt noch mal vorsichtiger sein.

Sein Zauber ist indes verflogen und er traut sich nicht, nach seinem Patzer einen neuen zu wirken. Er ärgert sich über sich selbst, weil er nun seine Anonymität aufgeben muss, ohne ein vollständiges Bild zu haben. Und er spürt ein in ungutes Gefühl in der Magengegend, welches er als Angst erkennt. Er blickt zum Panther, welcher immer noch in der Ecke liegt und vor sich hindöst. „Wo ist eigentlich dein Herr?“ Der Panther steht gemächlich auf, steckte sich, gähnt, dass einem das Blut in den Adern gefriert und verlässt seinen Platz hinter dem Tresen durch eine, für das normalsehende Auge unsichtbare Tür.

Es dauert eine Weile, bis sich hinter der Theke wieder was tut und der Narr hängt seinen Gedanken nach. Wie er diese Welt hasste und bis auf wenige Ausnahmen, saß er hier nun schon seit fünfzehn Jahren fest. Anfangs war es ja noch schön gewesen. Er hatte hier in der Taverne neue Freunde kennengelernt und seine alte Welt vollkommen vergessen. Stundenlang hatten sie in der Nähe des alten Kamins gesessen und Karten gespielt oder gewürfelt. Met trinkend und spielend sind so einige Nächte vergangen, bevor das Tageslicht sie in die Strohlager getrieben hatte. Sein Blick geht unbewusst in die dunkle Ecke der Taverne. Er sieht durch die Barriere hindurch. Eigentlich war es eine subtile Barriere, aber in einer Welt ohne Magie, konnte keiner sie wahrnehmen. In seiner alten Welt hätte man über diesen stümperhaften Zauber nur gelacht. Aber hier, hier stand eine Holzwand, identisch mit den anderen Holzwänden und niemand schien zu bemerken, dass die Außenmaße der Taverne auf ein weit größeren Innenraum schließen lies. Aber was die Menschen nicht sehen wollten, das sahen sie nicht.

„Na alter Freund, bist Du mal wieder mit deinen Gedanken in die Vergangenheit gereist?“ Der Narr löst den Blick von der Wand und hebt seine Mundwinkel nach oben. Aber ein wirkliches Lächeln entsteht dabei nicht. „Zehn Jahre, zehn gottlose Jahre!“ Der Wirt und Freund des Narrs, enthält sich eines Kommentars. Wortlos schenkt er dem schwarzhaarigen, jugendlich aussehenden Mann vor ihm einen seiner besten Gebrannten ein. Die nachtblauen Augen fixieren ihn dabei und wie immer löste dieser eindringliche Blick ein Schauer bei ihm aus. Schulterzuckend schenkt er auch sich einen Becher ein und einvernehmlich schweigend und in Gedanken bei ihren alten Freunden, trinken sie für jeden der Vermissten einen Becher. Es war ein altes Ritual, welches sie seit zehn gottlosen Jahren immer dann wiederholten, wenn der Narr nach einer seiner Reisen in die Taverne zurückkehrt. Oder auch, wenn der Wirt ihn, so wie diesmal zu sich ruft.

Noch immer kein Wort wechselnd, werden sich die beiden der Blicke der kleinen Gruppe am Fenster bewusst. „Sind sie das? Die, weswegen du mich gerufen hast?“ Der Wirt nickt. „Ja, ich habe zufällig gehört, wie sie von einem Portal gesprochen haben.“ Der Narr, der bei dem Wort zufällig noch schmunzeln muss, wird mit einem Mal blass. „Das ist nicht dein Ernst!“ Und mit einem Mal wird er wieder in die Zeit zurückversetzt. In die Zeit vor fünfzehn Jahren.

Es war Mitten im Winter. Der Narr war seit fünf Jahren in dieser magielosen Welt gefangen und hatte seither kein Portal mehr gesehen. An einem Abend jedoch öffnete sich das Portal in der Taverne wieder. Das Portal, welches ihn damals in diese Welt befördert hatte und seither verschlossen geblieben war. Es war unmittelbar in der Nähe des zweiten Kamins und ihrem Stammplatz erschienen und es verschlang alle seine Freunde, außer dem Wirt und bevor er auch hindurch gehen konnte, war es schon wieder verschlossen. Seither hatte sich an dieser Stelle noch mehrere Male ein Portal geöffnet, aber nie das in seine Heimatwelt. Doch in dieser Welt stand auf Magie die Todesstrafe und nachdem einige zwielichtige Gestalten aus den Portalen getreten waren, die jedoch immer vom Panther und dem Narren zurück gejagt werden konnten, hatten der Wirt und er Angst, dass sie auffliegen würden und der Narr hatte eine stümperhafte Barriere mitten durch die Taverne erstellt. Seitdem war die verwinkelte und gemütliche Ecke der Taverne nur noch für den Narren sichtbar und wann immer er „heimkehrte“ wanderte sein Blick in die Ecke, in der er seine letzten glücklichen Stunden verbracht hatte.

In seinen Gedanken reiste er noch weiter zurück. Was war er jung und naiv gewesen. Sich stark und unverwundbar fühlend, probierte er, entgegen aller Verbote die Portalmagie aus. Anfangs ging es gut. Er reiste immer für kurze Zeit in die unterschiedlichsten Welten an die wundervollsten Orte. Bis er eines Tages in dieser Welt landete. Er spürte den Bann zu spät und das Portal schloss sich und ließ sich nicht mehr von ihm öffnen. Der Weg nach Hause war versperrt. Er brauchte nicht lange, bis er merkte, dass es in dieser Welt keine Magie gab oder besser gesagt keine geben durfte. Er hatte Glück, dass es kein Magiejäger war, der ihn beim zaubern erwischte, sondern nur ein neugieriger Narr, der ihn gefangen nahm.

Der Narr schüttelt sich, an die Anfangszeit bei seinem späteren Lehrmeister möchte er nicht denken. Zu dunkel und zu schmerzhaft sind die Erinnerungen daran. Er blickt den Wirt an, die Farbe kehrt allmählich wieder in sein Gesicht zurück. „Und woher wissen die von mir?“ Der Blick des Wirtes senkt sich verlegen zu Boden und er nuschelt etwas undeutlich vor sich hin. „Wie bitte? Ich habe dich nicht verstanden.“ Der Narr schaut den Wirt vorwurfsvoll fragend an. „Ich habe es ihnen gesagt.“ Der Wirt hebt kurz den Blick und sieht sofort wieder auf seine Füße, mit denen er unruhig und verlegen über den Boden rutscht. „Ist mir so rausgerutscht.“ Der Narr runzelt die Stirn. Die Verlegenheit des Wirtes erkennt er als das was sie ist, eine Scharade. „Aha!“ Die Blicke treffen sich und die beiden funkeln sich an. Nachtblaue Augen treffen auf smaragdenes Funkeln und der Narr ist der erste, der den Blick senkt.

Da er den Blick noch immer gesenkt hält, bemerkt er nicht, wie der Wirt der Gruppe ein aufforderndes Nicken schickt. Er erschrickt sich fast zu Tode, als eine engelsgleiche, sanfte Stimme ihn leise anspricht. „Ihr kennt euch mit Portalen aus?“ Jetzt kann er die magische Aura förmlich greifen. Sie umgibt dieses zarte Wesen, wie eine zweite Haut. Hellsilbern leuchtend, wird ihm bei diesem Anblick bewusst, dass sie weiß was er ist. Er ist gefangen von ihrem Anblick. Kurze silberne Haare, silberne Augen und alabasternfarbene Haut. Noch nie hatte er so ein wunderschönes Mädchen gesehen. Da er seiner Stimme nicht traut, nickt er bloß. „Bitte kommt mit an unseren Tisch, ich möchte euch eine Geschichte erzählen. Darf ich euch etwas zu trinken bringen lassen? Wieder nickt er, diesmal in Richtung des Wirtes. Allerdings weiß er nicht, ob das Nicken, die Zustimmung für das Handeln seines Freundes bedeutete oder nur die Zustimmung zur Einladung des Mädchens für etwas zu Trinken.

Er geht mit ihr zu ihren Begleitern und setzt sich auf den angebotenen Stuhl. Der Alte lächelt ihm aufmunternd zu, der Jüngere hingegen mustert ihn voller Argwohn. Bis eben dachte er noch, der Alte sei der Anführer der Gruppe, aber die Art und Weise, wie die beiden das Mädchen behandeln, zeigt ihm, dass sie es ist, die hier das Sagen hat. Der Wirt bringt ihm einen Honigwein und zwinkert ihm zu. Danach verlässt er den Tisch wieder. Als sich der Narr nach ihm umsieht, ist sein Freund jedoch ganz verschwunden. Er kümmert sich nicht drum und lauscht gebannt der Engelsstimme, die ihn schon mit den ersten Worten, obwohl nur geflüstert und kaum wahrnehmbar, in Bann zieht.

„Es geschah vor sieben Mondzyklen, als ich mit meiner Schwester, ihrem Mann und ihren Kindern durch den Wald spazierte. Wir waren auf dem Weg zu einem kleinen Weiher, an dem wir nachmittags bei schönen Wetter oft unseren Tee einnahmen. Die Dienerschaft war bereits den direkten Weg vorausgegangen, um alles vorzubereiten und wir liefen eine ruhige und erholsame Strecke am Bach entlang. Die Kinder spielten, scherzten und lachten. Wir ließen uns von der ausgelassen Stimmung mitreißen und da ist uns nicht aufgefallen wie ruhig es in dem Wald eigentlich war. Jetzt im Nachhinein erinnere ich mich nicht daran auch nur ein Lebewesen gehört zu haben. Auf jeden Fall, als wir am Weiher ankamen und uns durchs Unterholz auf die Lichtung gekämpft hatten - Ihr müsst wissen, wenn man dem Bachlauf folgt, gibt es keinen direkten Zugang zur Lichtung – da packte uns das Grauen. Im meinem ganzen Leben werde ich diesen Anblick nicht vergessen.“

Sie muss kurz durchatmen und die Tränen wegblinzeln, aber danach hat sie sich wieder im Griff und ihre Augen funkeln gefährlich, als sie die Szene vor ihrem inneren Auge erneut zum Leben erweckt.

„Es war Sommer, es hatte seit Tagen nicht geregnet aber die Wiese glänzte feucht. Nur, es war kein Wasser, sondern Blut. Überall waren Gräser und Blumen in Blut getränkt. Ich weiß noch, dass ich mich als erstes fragte, wie so wenige Menschen so einen See aus Blut verursachen konnten. Fast alle Diener, es waren zwölf an der Zahl, waren zerstückelt und ihre Körperteile lagen überall herum verstreut auf der Wiese. Die wenigen noch Lebenden waren erstarrt und ihre Münder standen weit offen. Doch die Schreie waren verstummt. Über dem Weiher war eine Öffnung - Mitten in der Luft, dass müsst ihr Euch vorstellen - und aus diesem Ding – erst später habe ich erfahren, dass es ein Portal ist – kamen Wesen von unermesslicher Scheußlichkeit. Ich kann sie gar nicht richtig beschreiben. Große, dunkle Wesen, die irgendwie materielos wirkten. Wie Nebel senkten sie sich über die noch verbliebenen lebenden Geschöpfe und verhüllten sie in einer dunklen Wolke und wenn sie sich wieder erhoben, tropfte Blut aus einer Öffnung, die eigentlich keine Öffnung war, sondern nur ein Loch in einer Wolke. Aber der Mensch, von dem sie sich erhoben, war nun kein Mensch mehr. Da lagen nur noch zerlegte Stücke Fleisch. Meine Schwester schrie. Nie werde ich ihren Schrei vergessen und die Nebelwesen wurden auf uns aufmerksam und kamen immer näher. Todesmutig trat mein Schwager vor die Kinder und uns Frauen, aber meine Schwester rannte wie irre an ihm vorbei zu unserer Amme. Noch bevor sie dort ankam, war sie in einer Hülle aus schwarzem Rauch verschwunden. Ich hielt den Kindern die Augen zu und ich presste sie an mich, als auch mein Schwager stumm schreiend von einem dieser Wesen erfasst wurde. Nachdem nun alle lebenden Personen außer mir und den zwei Kindern in ihre Einzelteile zerlegt waren, machten sich die Wesen auf den Weg zu uns. Ich befreite mich aus meiner Starre und schubste die Kinder zurück zum Bach. Ich schrie ihnen zu, dass sie rennen sollten, rennen sollten so schnell sie konnten und meine Nichte nahm meinen Neffen an die Hand und rannte los. Die Wesen kamen immer näher auf mich zu und ich schloß die Augen, in dem Moment wo ich nur noch schwarzen Nebel um mich herum wahrnahm.“

Sie wendet sich dem Narren zu und beugt sich zum ihm. Ihr Mund geht ganz nah an sein Ohr und die letzten Worte flüstert sie. Nur hörbar für ihn: „Und dann bin ich gestorben!“
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Zeit ist zu kostbar, um sie festzuhalten!
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