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Alt 18.07.2013, 11:45
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Susanne Gavenis Susanne Gavenis ist offline
Herausforderer der Weisen
 
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Ich denke auch, dass es fatal wäre, allen positiven Leserrezensionen per se eine betrügerische Absicht zu unterstellen, zumal es ja wirklich sehr viele sehr gute Bücher gibt, von denen auch ich begeistert bin. Diese Bücher dann aus Sorge, unglaubwürdig oder, noch schlimmer, manipulativ zu wirken, nicht zu loben, würde ja ebenfalls einen komplett falschen Eindruck erzeugen.

Aus diesem Grund halte ich es allerdings für wichtig, auch seine positive Meinung über ein Buch dezidiert zu begründen und mit guten Argumenten zu untermauern, um einer solchen Unterstellung von vornherein entgegenzuwirken. Sicherlich kann das auch auf gekaufte oder bei der Verwandtschaft in Auftrag gegebene Rezensionen zutreffen, das Hineinspielen wirtschaftlicher Interessen oder emotionaler Erwartungen macht es m.E. allerdings schwer, diesbezüglich eine gewisse unvoreingenommene objektive Sichtweise einzunehmen. Wenn ich von Anfang an mit dem festen Entschluss an die Lektüre eines Romans herangehe, ihn auf jeden Fall toll zu finden (bzw. finden zu müssen, um auch weiterhin lukrative Aufträge zu erhalten oder meine beste Freundin nicht vor den Kopf zu stoßen), dann färbt das, so denke ich, ganz sicher auf meine Wahrnehmung und Gewichtung seiner möglicherweise vorhandenen Mängel ab (nach dem Motto: "Die Figuren handeln zwar an der einen oder anderen Stelle ein klein wenig unvernünftig, da aber die Story so unglaublich spannend und mitreißend war, ist das überhaupt nicht ins Gewicht gefallen, und nur ein völliger Pedant würde sich daran stören.").

Das Problem ist, dass Rezensionen ja etwas anderes sind als die Rückmeldungen eines Probelesers während eines work-in-progress-Prozesses, wenn der Roman noch weit von einer potentiellen Veröffentlichung entfernt ist und vom Autor noch überarbeitet werden muss. Während dieser Zeit ist ein kritisches und sachlich fundiertes Feedback wichtig und notwendig, um die Qualität der Geschichte zu verbessern. Ist der Roman aber erst einmal auf dem Markt, ändern sich die Rahmenbedingungen radikal, und dann nimmt die Kritik eines Lesers nicht mehr konkreten Einfluss auf die Entstehung der Geschichte, sondern entscheidet lediglich noch über ihren Verkaufserfolg oder -misserfolg. Und da sie ja ansonsten nichts mehr bewirken können (außer vielleicht dabei zu helfen, dass der Autor bei seinem nächsten Buch bessere Arbeit leistet, aber das ist m.E. erst einmal ein relativ abstraktes Fernziel und bei extrem positiven Auftragsrezensionen ohnehin irrelevant), können gekaufte oder Freundschaftsrezensionen, auch wenn sie sachlich gut begründet scheinen, diese Ebene der damit verknüpften sinkenden oder steigenden Verkaufszahlen in meinen Augen niemals gänzlich hinter sich lassen.

Natürlich gibt es hier riesige Unterschiede in der Qualität, aber wenn ich sicher wüsste, dass die einzige 5-Sterne-Rezension eines neuen Romans bei Amazon von der besten Freundin der Autorin stammt, würde ich sie, auch wenn sie auf mich differenziert und sachlich wirken würde, dennoch mit anderen Augen sehen, als wenn sie von einem völlig neutralen Leser geschrieben worden wäre. Das mag ungerecht sein (und ist es wahrscheinlich in dem einen oder anderen Fall auch), aber ich fürchte, ich könnte mich von dem Wissen um die Interessenvermischung, die in diese Rezension hineingespielt haben könnte, nicht völlig freimachen.
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