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Alt 12.11.2012, 16:38
Geweihter Geweihter ist offline
Schwertmeister
Vampirjaeger
 
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Runde drei :D

Ein dünnes Lächeln umspielte seine Züge. „Wir saßen oft oben auf der Mauer. Auf den Zinnen. So oft haben wir über ein normales Leben geredet. Sie hat es sich immer gewünscht. Fast jeden Tag hat sie mir gesagt, dass sie mit mir irgendwann aus dem militärischen Käfig ausbrechen und ein normales Leben führen wollte. Anfangs habe ich sie nicht verstanden, ich wollte immer ein Krieger werden, Abenteuer erleben, aber mit der Zeit habe ich gemerkt, dass ein gewaltfreies Leben viel mehr zu bieten haben könnte. Versteht Ihr, was ich meine?“
Cilana zögerte. Auch für sie hatte es eine Zeit des Zweifelns gegeben, aber diese war Vergangenheit. Ihr Leben war zu einem Krieg verkom-men, den sie allein zu führen schien und der ihr immer wieder leichte Wunden zufügte, an denen sie irgendwann verbluten würde.
„Ich habe nichts anderes gelernt“, gestand sie und atmete tief durch, um ihre Stimme zu beruhigen, die unsicher bebte. „Für mich wird es nie ein anderes Leben geben, dafür ist es zu spät. Du hingegen kannst neu starten. Du kannst ein Leben in Frieden führen, in ihrem Anden-ken.“
„Nein“, widersprach er schnell und sein Blick ließ keinen Zweifel an seiner Überzeugung. „Ich werde sie alle töten. Sie werden dafür bezahlen, für meine Freunde und den Engel, den sie mir genommen haben. Das wird ihr Andenken sein. Ich werde nicht ruhen, bis jeder von ihnen tot ist.“
Damit hatte die Geweihte gerechnet und dennoch schmerzte die Ge-wissheit.
„Rache ist nicht der Weg, den du gehen solltest. Er wird dich in die Dunkelheit reißen, ich weiß, wovon ich spreche.“
„In die Dunkelheit reißen?“ Atherus lachte freudlos. „Sieh mein Leben an. Ich stehe längst in der Dunkelheit. Sie haben mir mein Licht genommen und dafür werden sie zahlen. Mein Leben ist mir egal, es ist mir alles egal, nur der Tod dieser Monster zählt. Sonst nichts …“
Cilana verstand. Nur zu gut konnte sie die Gefühle des Jungen nach-vollziehen, hatte sie doch lange Zeit seinen Pfad geteilt. Zu diesem Zeitpunkt wünschte sie sich, dass sie ihn davon abbringen konnte, aber sie wusste, dass es unmöglich war. Er hatte mit allem, was er sagte, Recht, auch wenn es der Kriegerin missfiel. In ein paar Jahren würde aus dem unschuldigen Novizen ein dunkler Jäger geworden sein, der seine Opfer gnadenlos tötete. Außer er würde vorher sterben. Seine Trauer würde ihm den Weg ebnen, einen Pfad, der ihn in die dunkelsten Ecken des Wahnsinns führte.
Wenn er jetzt nicht aufgehalten wurde, konnte er später zu einem mächtigen Feind werden. Die Grundfähigkeiten hatte er.
„Bildet mich aus“, bat Atherus leise.
Cilana schüttelte gedankenverloren den Kopf.
„Nein“, widersprach sie schließlich bestimmt. „Ich kann das nicht. Ich bin auf einer wichtigen Mission und ich habe schon genug Menschen den Tod gebracht. Ich kann keinen Schüler annehmen. Erst muss ich selbst zur Meisterin reifen.“
Atherus sagte nichts, aber sein Blick verriet alles.
Die Geweihte wich seinen Augen aus. „Es tut mir Leid. Es ist besser für uns, wenn sich unsere Wege hier trennen. Vielleicht sehen wir uns irgendwann einmal wieder, aber ich hoffe nicht. Drigorn, ein guter Freund von mir, wird sich um dich kümmern. Lebe wohl, Atherus.“
Sie sah ihm noch einmal in die Augen, griff dann nach ihrem Schwert, das an sein Bett gelehnt war und wandte sich ab.
„Bitte versprecht mir eins“, hielt Atherus sie auf. „Versprecht mir den zu töten, der dafür verantwortlich ist.“
Cilana drehte sich noch einmal um. „Ich verspreche nicht diese Person zu töten, aber ich schwöre dir, dass sie sterben wird. Schon sehr bald.“
Mit diesen Worten verließ sie den Raum und ließ den Jungen, an des-sen Seite sie so lange verharrt hatte, allein.
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