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Alt 09.10.2011, 19:16
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Telorion Telorion ist offline
Vampirjaeger
 
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Hallo Arya,

bei deinem Text handelt es sich um eine schöne, aber auch vorhersehbare Szene. Der Bezug zum Ich-Erzähler fehlt weitestgehend, man kennt ihn nicht. Als Leser fiebere ich nicht sonderlich mit, ob er nun der Melodie folgt (stirbt) oder sich dem Lärm aussetzt (lebt). Das ist keine Kritik am Text selber, sondern nur ein Hinweis für dich, dass das für eine eigenständige Kurzgeschichte noch etwas zu wenig ist.

Mit Beschreibungen kannst du gut umgehen, es gibt jedoch einige Wiederholungen. Das Wort "Melodie" kommt viel zu oft vor, außerdem ist spätestens nach der Hälfte klar, dass die Melodie harmonisch, schön und behaglich ist und der Lärm eben nicht. Dennoch wird es immer wieder erwähnt - traue dem Leser mehr zu ! Stattdessen könnte man hier mehr von dem Ich-Erzähler preisgeben: Was war das für eine Autofahrt? Gab es ein Unwetter, einen Beziehungsstreit, eine lang gehegte Todessehnsucht, Ärger im Beruf oder war es einfach nur Pech? Die Nahtod-Erfahrung des Protagonisten könnte noch deutlicher, visionärer erzählt werden, das würde zumindest mich hier viel mehr interessieren, als zum x-ten Mal zu hören, dass die Melodie toll ist Es fallen auch etliche Rechtschreibfehler auf, die ich jetzt bewusst nicht herausgepickt habe.

Ein paar Details:

Zitat:
Alles war schwarz. Ich sah nichts, spürte nichts, ich hörte nur. Eine leise Melodie durchströmte meine Seele, so leise, wie das rauschen des Meeres. Sie war beruhigend, schaffte Geborgenheit. Ich fühlte mich sicher, ich fühlte mich wohl. Ein schöneres Gefühl hatte ich noch nie zuvor. Die Melodie wurde lauter, und mit jedem Ton fühlte ich mich mehr und mehr zu ihr hingezogen. Sie war verlockend, machte neugierig.
Soweit so gut. Die Sache mit der Melodie wird jetzt schon deutlich genug.

Zitat:
Eine weitere Melodie lenkte mich von der Verlockung ab. Es war nicht wirklich eine Melodie, sondern eher Lärm. Abschreckend, unangenehm, so nahm ich ihn wahr. Ich hörte Stimmen, leise und undeutlich, hörte Schritte und Klirren, nerven auftreibend. Ich fühlte mich leer, nicht vorhanden, als würden allein meine Gedanken in einem schwarzen Raum umher kreisen, verfolgt von den Geräuschen und Melodien, die sie umgaben.
Du siehst, dass Wort Melodie kommt zu oft vor. Gleich zu Beginn: Wenn der Lärm dazukommt, wird ihm das sofort als störend auffallen und es nicht zunächst auch als "Melodie" einstufen. Der Lärm drängte sich auf, zwängte sich dazwischen, packte ihn und zerrte ihn in eine bestimmte Richtung.

Zitat:
Je mehr ich mich auf den unangenehmen Lärm konzentrierte, desto deutlicher und lauter wurden die Stimmen. Ich fing an zu sehen, Schatten, schemenhafte Figuren, Menschen, die um etwas herum standen.
Das ist sehr freundlich vom Tod, der Seele sich in Ruhe entscheiden zu können, in welche Richtung sie denn nun gehen möchte. Ich fände es spannender, wenn Leben und Tod miteinander ringen, beide an der Seele zerren, die nur mittelmäßig das Geschehen beeinflussen kann.

Zitat:
Ich begann zu spüren, meinen eigenen Körper, und dennoch merkte ich, dass ich nicht bei ihm war, ihn nicht kontrollieren konnte, ich nahm ihn nur wahr.
Zu umständlich: Ich spürte meinen Körper, stellte jedoch fest, dass ich ihn nicht kontrollieren konnte. Oder so ähnlich

Zitat:
Angst überkam mich. Diese Unwissenheit trieb mich in den Wahnsinn, doch gleichzeitig spürte ich eine Ruhe in mir. Wärme, die sich immer weiter ausbreitete, die meine Seele umgab. Die liebliche Melodie erklang, und all der Lärm war wie verschwunden. Ich nahm ihn wahr, jedoch nur als leises Rauschen, das dir Melodie noch schöner machte, noch weicher, sanfter, wie die Flügelschläge eines Adlers. Elegant, mächtig, ruhig und überwältigend. Die Melodie wurde lauter, erfüllte mich mit Ruhe, Geborgenheit und Neugierde. Was war das für eine Melodie,die mich so mitriss? Woher kam sie?
Das ist jetzt eben der Melodie-Overkill. Ja, das wissen wir doch im Großen und Ganzen schon. Jetzt müsste das erbitterte Ringen um das Leben stattfinden, Nahtod-Erlebnisse, oder ähnliches.

Zitat:
Und während dieser Gedanken wurde die Melodie wieder leiser, und das Rauschen wurde ein weiteres Mal zu einem unerträglichen Lärm. Wieder spürte ich meinen Körper, hörte Stimmen und merkte, wie jemand etwas aus meinem Körper zog, spürte, wie Blut aus Wunden schoss und langsam über meine Haut floss. Noch einmal merkte ich, wie jemand etwas in mein Fleisch bohrte, und kurz darauf einen Gegenstand aus meinem Körper zog. Es war beängstigend, doch ich spürte keinen Schmerz, sah nur, wie Menschen um mich herum standen, und mich behandelten. Der Lärm wurde lauter, die Stimmen deutlicher und meine Angst wuchs. Ich sah, wie Unmengen an Blut aus unzähligen Wunden schoss, doch ich spürte keine Übelkeit, nur Angst und entsetzen. Diese Menschen waren Ärzte, die verzweifelt versuchten mein Leben zu retten.
Ein Unfall. Das war das nächste woran ich dachte. Eine Autobahn, ein Lastwagen der die Kontrolle verlor. Eine Person die entsetzt das Lenkrad ihres Autos umriss und in einen Graben fuhr. Das Auto überschlug sich, Scheiben zersplitterten. Ein grauenhaftes Geräusch das in den Ohren dröhnte, während sich die Splitter in das Fleisch der Person bohrten. Diese, war ich.
Hier fehlt mir Inhalt. Ich bekomme beschrieben, was gemacht wird, eine Abhandlung von Tätigkeiten. Die Erinnerung an den Unfallhergang ist schon mal ein Anfang, bleibt aber viel zu vage und unpersönlich, um mich an den Protagonisten emotional zu binden.

Zitat:
Die Angst wuchs mit jeder Erinnerung, die zu mir zurück geflogen kam. War ich Tod? Was war das für eine Melodie?
Und kaum dachte ich an sie, wurde der entsetzliche Lärm leiser, und es erklang die Melodie. Die wohlige Wärme tauchte auf, die Geborgenheit. Die Angst verschwand, ich fühlte mich sicher, mein Kopf war leer, ich war im nichts. Die Melodie umgab mich wie das Wasser des Meeres, wie die Sonne im Sommer, wie der Wind im Herbst. Sie lud mich ein, zu ihr zu kommen, sie wurde lauter. Ich lauschte ihr gebannt. Die sanften Töne fesselnden mich, die weichen Klänge verführten mich und rissen mich mit. War das der Tod? Hätte mich diese Melodie in das Reich der Toten gerissen? In deine wundervolle Welt, eine, von der ich Jahre lang geträumt hatte?
Abgesehen davon, dass dem Leser erneut klar gemacht wird, dass die Melodie toll ist, ist hier der erste und einzige interessante Aufhänger: eine wundervolle Welt, von der der Protagonist jahrelang geträumt hat? Das ist eine zaghafte Anspielung auf eine Tragik, auf ein Drama in seinem Leben, von dem ich gerne mehr gewusst hätte.

Zitat:
Die Melodie wurde leiser, als ich mich auf meine Gedanken konzentrierte, verklang in dem aufsteigenden Lärm, der, der mir unheimliche Angst einjagte. Je mehr ich nachdachte, desto klarer wurde mir alles.
Ich würde sterben, wenn ich mich von der wohltuenden Melodie mitreißen lasse, und würde leben, wenn ich den Lärm ertrage, mich auf ihn konzentrierte. Ich war einerseits hingerissen, von der wunderschönen Melodie, der Sicherheit, der Geborgenheit, doch andererseits hatte auch der Lärm etwas verlockendes. Er versprach Spannung, Zuneigung, Abenteuer, zeigte Höhen und Tiefen. Doch dieser Lärm war nichts im Vergleich zu dem lieblichen Klang der Melodie. Nichts. Ich wollte die Welt sehen, in die ich hineingezogen werden würde, wollte für immer diese Geborgenheit spüren, das Gefühl haben sicher aufgehoben zu sein, diese Zufriedenheit, ohne Sorgen. Ich wollte frei sein, wie ein Adler, wollte keinen Schmerz mehr spüren, keine Angst.
Hier wägt er/sie nur ab, welcher Apfel der schönere ist. Viel mehr sollte der Protagonist sein Leben vor dem geistigen Auge vorbeiziehen sehen, sich an schöne und traurige Momente erinnert fühlen, offene Enden in seinem Leben aufgezeigt bekommen und ihm klar werden, dass er zwar in die Geborgenheit fliehen kann, er dann aber niemals wissen wird, was ihn in seinem Leben noch erwartet hätte. DAS ist die echte Neugier, die ihn überzeugen könnte!

Zitat:
Doch wieso jetzt schon? Wieso sterben wenn man die Möglichkeit hat zu leben? Der Tod läuft nicht weg, er wartet, hat Geduld. Und so entschied ich mich für das Leben, denn auch ich wollte warten, mein Leben genießen, Höhen und Tiefen durchstehen, Schmerzen ertragen, um schönes zu erleben,bis mich der Tod letztendlich mit offenen Armen begrüßen würde, und ich das Gefühl habe, in meinem Leben alles erreicht zu haben, was es zu erreichen gab. Ich wollte Geduld haben. Ich kann warten.
Er will auf einmal sein Leben genießen, hat sich aber doch den Tod (sh. oben) jahrelang herbeigesehnt? Da stimmt was nicht. Ansonsten ist das ein guter, runder Schluss mit einem Bezug zum Titel, der mir sehr gefällt.


Viele Grüße,
Telorion
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