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Alt 20.02.2011, 16:17
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Bardin Bardin ist offline
Geschichtenerzählerin
Erforscher der Welten
 
Registriert seit: 11.2009
Ort: wo die Träume flügge werden
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Die Bardin konnte den Hund direkt hinter sich hören, zum Umdrehen war keine Zeit mehr.
Jetzt bleibt mir nur noch der eine Ausweg…Hoffentlich ist die Gasse lang genug!
Ihr Atem ging schwer, dennoch begann sie, hastig zu murmeln.
Es war einmal eine alte Frau, die an einem Fluss lebte. Jeden Tag bei Sonnenaufgang ging sie an sein Ufer und beschwor die Geister, die in seinen Tiefen hausten… Der König aber zürnte seiner Tochter und befahl, sie auf einem Floß dem Fluss zu übergeben und ihr Schicksal den Göttern zu überlassen… Eines Tages kam der Bauernjunge an einem Fluss vorbei und erblickte eine Meerjungfrau, die auf einem Stein am Ufer saß… „So lasst uns denn in die Schlacht reiten, es heißt Sieg oder Untergang!“, rief der Feldherr und trieb sein Kriegsross durch die Furt…
Die Bardin konnte eine Mauer vor sich erkennen, doch zu ihrer Erleichterung schien sie nicht mehr ganz real zu sein.
…Und das Wasser des Flusses trat über das Ufer und überflutete die umliegende Stadt… Drei Tage und drei Nächte verbrachte der Prinz auf dem Schiff, das ihn in immer größere Nähe zum Turm des Magiers brachte… Arun von Faar beschwor einen Sturm, der seinen Rivalen von der Brücke fegte und ihn in den Fluten des Flusses versinken ließ…
Die Bardin murmelte ohne Unterbrechung weiter vor sich hin.
Ohne dass ein wirklicher Übergang zu erkennen gewesen wäre, befand sie sich nun in einer gänzlich anderen Landschaft. Sie lief einen Weg entlang, zu ihrer Rechten befand sich ein Fluss. Die gesamte restliche Erscheinung der Landschaft veränderte sich mit jedem Lidschlag. Einmal war das Ufer von Schilf umsäumt, mal von hohen Bäumen; mal war das Wasser klar, mal braun, mal grün vor Algen; nach dem einen Lidschlag war der Fluss nicht mehr als ein größerer Bach, nach dem anderen Lidschlag ein breiter Strom, auf dem Schiffe trieben. Der Weg war mal sandig, mal steinig, mal bedeckt mit Laub, mal gepflastert. Die Bardin wanderte innerhalb weniger Sekunden durch Wälder, Felder, Wiesen, Berge, des weilen führte der Weg an einer Stadtmauer entlang. Der Himmel wechselte von bewölkt zu Dämmerung zu Sternenhimmel zu strahlendblau; mal regnete es, mal schien die Sonne, mal war Nebel, mal schneite es gar.
All das schien die Bardin, die immer noch murmelte, nicht weiter zu kümmern. Sie schritt nun ruhig voran, ihre Harfe hielt sie fest in ihrer rechten Hand.
Wenigstens habe ich es noch rechtzeitig geschafft… ich hätte das Wirtshaus nicht so spät verlassen sollen… erst recht nicht, wenn sich so viele Soldaten herumtreiben und die Lage so angespannt ist… Omega ist zwar noch nicht hier, aber die Menschen haben Angst… früher waren die Straßen nicht so leer, auch nicht um diese Uhrzeit…die Angst vor Omega treibt sie in ihre Häuser…vermutlich weidet er sich an der Gewissheit, uns alle in Furcht zu versetzen…
Wahrscheinlich muss ein Wunder geschehen, um ihn aufzuhalten…

So kreisten ihre Gedanken.
Ihr Murmeln schien nun weniger drängend zu sein, und irgendetwas an der Landschaft deutete an, dass diese an Wirklichkeit verlor.
Und mit einem Mal verschwanden der Weg und der Fluss und machten einer gänzlich anderen Landschaft Platz. Die Bardin stolperte, als sie in die veränderte Landschaft trat, sie schien plötzlich sehr geschwächt zu sein. Sie erblickte vor sich eine Wand und lehnte sich dagegen. Aufmerksam sah sie sich um.
Sie schien in einer Sieldung gelandet zu sein. Der Boden war schlammig und mit einigen Knochen gespickt. Raben flogen hoch über ihrem Kopf, in einiger Entfernung konnte sie Stimmen hören.
Wo bin ich hier bloß gelandet…
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Allein die Existenz von irgendetwas ist das größte Wunder; die Materie, die sich selber formt, das größte Geschenk; die Materie aber, die auf sich selbst herabblickt und denkt, das größte Paradoxon.

Die Bardin auf deviantArt: http://the-bardess.deviantart.com/