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Alt 03.10.2010, 17:34
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Dark Umbra Dark Umbra ist offline
Drachenherz
Erforscher der Welten
 
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Die Magier, auf die sie zugingen, starrten Alor an. Ihm war es unangenehm, dass sie an ihm zweifelten, dass sie nicht wussten, was sie von ihm halten sollten. Wäre es nur wie vor seiner Festnahme gewesen! Dann hätte er sie jetzt um sich versammelt, um Lutien zu überwältigen. Ein Risiko wäre das schon gewesen, immerhin wusste er nicht, wie stark der Dämon war. Doch einen Versuch wäre es wert gewesen.
Wäre, darauf lag die Betonung. Sie wussten zwar nicht, warum er gefangen gewesen war, doch es reichte, um ihm nicht mehr zu trauen. Hätten sie Lutien angegriffen, wären sie von seinen Männern mit Pfeilen durchspickt worden.
Trotz ihres Misstrauens tat es dem Magier leid, dass er sie wohl oder übel in die Pläne des Dämons hereingezogen hatte.
Also folgte Alor Lutien, ihm blieb ja nichts anderes übrig. Als dieser ihm mitteilte, dass er den Vampir foltern sollte, war er zwar nicht sonderlich überrascht, doch es lief ihm dennoch kalt den Rücken hinunter. War er nicht vor Zadek geflohen, um nicht gefoltert, nicht gequält zu werden, um nicht foltern, nicht quälen zu müssen?
Den ganzen Weg zu den Zelten schwieg Alor, Lutiens Taktikausführungen kommentiere er nur mit zustimmendem Gebrumme.
Ihn beschäftigte mehr sein Schicksal, dass meinte, wenn er seinen Tiefpunkt erreicht hatte, ihm ein noch tieferes Loch graben zu müssen.
Vielleicht hassen die Götter mich auch einfach, kam es ihm in den Sinn. Vielleicht sollte ich mir nach Jahren der Ungläubigkeit wieder einen suchen.
Doch Alor bezweifelte, dass das ihm weiterhelfen würde. Nicht ohne Grund hatte er dem Gott Jewas, zu dem sein Volk betete, entsagt. Die Menschen beteten zu den Göttern, weil die Priester ihnen Angst machten, nicht weil sie von sich aus überzeugt von einer höheren Macht waren.
Lutien blieb stehen. „Hol die Listen und beeil dich. Wir haben vielleicht noch vier Stunden Zeit, bis die Sonne aufgeht. Bis dahin will ich fertig werden.“
Alor war klar, dass er sich von nun an daran gewöhnen musste, dass der Dämon ihn herumscheuchte.
Der Magier war nicht besonders erpicht darauf, Geister zu beschwören, aber im Moment war ihm das jedoch lieber als seinem Bruder Aro zu begegnen.
Seufzend überlegte er, wen er zuerst aufsuchen sollte. Die Geschichte mit seiner Gefangennahme hatte sich bestimmt wie ein Lauffeuer verbreitet, einige der Hauptmänner standen mit ihm eh auf dem Kriegspfad. Es war sogar wahrscheinlich, dass sie ihn ohne Vorwarnung angriffen, wenn er ihr Zelt betrat.
Alor überlegte, wie er das am besten anging. Es ist mitten in der Nacht. Wenn ich mich also einfach hineinschleiche... Nein, das war keine gute Idee.
Ihm kam ein Gedanke in den Sinn.
„Tarius“, murmelte er und ging auf dessen Zelt zu. Wenn der Dämon den Heermeister tatsächlich „entfernt“ hatte, dürfte dieser kein Hindernis mehr sein.
Er selbst hatte Tarius zwar noch nie einen Statusbericht überreichen müssen, aber vielleicht hatten andere Hauptmänner dies getan. Was lag näher, als dass der Heermeister als „Verwalter“ des Lagers Buch führte – na gut, Alor traute es Tarius zu, dies neben seinen anderen vielen Pflichten auch versäumt zu haben, aber nachzusehen konnte nicht schaden.
Alor bog in die Gasse ein, in der sich Tarius´ Zelt befand. Schon hier stieg ihm der Gestank von geronnenem Blut entgegen. Hatte Lutien hier umgebracht? Hier liefen zu viele Leute herum, um einen Mord vertuschen zu können. Wenn der Dämon sich in Tarius´ Zelt um diesen „gekümmert“ hatte, befand sich die Leiche mit Sicherheit noch dort.
Alor zögerte. Es war gefährlich, hier gesehen zu werden. Nach der Festnahme hatte der Magier ein nur zu gutes Motiv für den Mord an Tarius. Wenn man ihn zusammen mit dessen Leiche erwischte, würde man vorschnelle Schlüsse ziehen.
Am liebsten hätte Alor auf der Stelle kehrtgemacht, doch Toten zu begegnen war ihm durchaus willkommener als einer wütenden, bewaffneten Meute. Er vergewisserte sich mithilfe seiner Kräfte, dass niemand in der Nähe war.
Seltsam, niemand ist in den Zelten, kam ihm noch in den Sinn, doch vielleicht hatte Lutien sie ja irgendwo antreten lassen, um ihm freie Bahn zu schaffen. Man weiß ja nie. Er warf noch einmal einen Blick über die Schulter, bevor er das Zelt betrat.
Das Licht der Fackeln drang nur schwach durch die Zeltwände, doch Alor konnte auch so erkennen, dass hier das reinste Massaker geherrscht hatte. Er schuf einen faustgroßen Feuerball, um sich ein wenig mehr Helligkeit zu schaffen, war aber darauf bedacht, dass er von draußen nicht so leicht auffiel.
Lutien ist nicht gerade professionell vorgegangen, stelle Alor leicht angewidert fest.
Alles war mit Blut besudelt, Wände, Pritsche, Boden. Alors Blick blieben an einem Körper hängen, der Tarius´ Rüstung trug. Er lag neben einem umgekippten Stuhl in einer riesigen Blutlache.
Der Kopf fehlte. Hatte Lutien...? Nein, das konnte sich Alor beim besten Willen nicht vorstellen. Er schwenkte seine Lichtkugel nach links. Dort war er, der Kopf. Leblose Augen starrten Alor an. Der Magier wandte den Blick ab, ihm hatte es noch nie gefallen, Leid und Tod zu sehen. Aber er war ja auch nicht hier, um sich an Tarius´ Anblick zu weiden.
Er machte einen ausfallenden Schritt auf den Schreibtisch zu, um nicht unbedingt das Blut – oder sogar schlimmeres – an den Schuhen kleben zu haben. In den Schubladen des Tisches fand er, was er gesucht hatte: Schlachtprotokolle mit den Namen der Gefallenen.
„Lutien wird sich freuen“, murmelte Alor bitter und trat wieder nach draußen.
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