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Alt 21.01.2010, 19:55
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Orendarcil Orendarcil ist offline
Drachentoeter
 
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Heyho,
ich stelle nun einen weiteren Teil rein und freue mich wie immer über Rückmeldungen. Auch Kritik und Verbesserungsvorschläge sind erwünscht, wenn sie also jemandem auf der Zunge liegen nur her damit =D

Viele Grüße


„Och, jetzt ist er vorbei“
, verkündete die Stimme mit sichtlicher Enttäuschung und warnte kurz darauf: „Achtung Laterne!“
Chris wich gerade noch rechtzeitig dem gräulichen, blanken Metall aus, das urplötzlich in sein Sichtfeld geraten war.
„Willst du weiterhin auf diese Art durch die Gegend laufen?“, keifte die Stimme; ihren dunklen, monotonen Klang verlor sie bei diesen Worten ein wenig. Dann seufzte der Unbekannte in seinen Gedanken.
„Heb den Blick“, forderte er, doch Chris schüttelte den Kopf.
„Es ist niemand hier“, versicherte die Stimme und nachdem er es noch einmal bestätigt hatte, hob Chris tatsächlich den Blick.
„Und nun?“, fragte er die Stimme und betrachtete sich selbst in einem leeren Schaufenster eines ehemaligen Geschäftes. Die Spitze einer blonden Haarsträhne hatte sich unter seiner Wollmütze hervorgekämpft und in seiner dicken Winterjacke sah er beinahe doppelt so breit aus, als er tatsächlich war.
Doch am meisten faszinierten ihn seine eigenen Augen. Sie waren von einem dunklen braun, ja beinahe schwarz und standen im starken Kontrast zu seinem hellem Haar. Niemand durfte in seine Augen sehen, das hatte er sich vor langer Zeit selbst befohlen und bis dahin auch immer versucht es einzuhalten. Doch keiner der Menschen hatte Chris wirklich verstanden, wenn er sie nicht ansehen wollte oder mit Sonnenbrille durch die Gegend lief. Je mehr er seine Augen versteckte, desto mehr wollten sie diese sehen.
Meist ein Wunsch von kurzer Dauer.
Sahen sie in das Dunkel seiner Augen, fielen sie mit ihrem eigenen Blick scheinbar haltlos hinein, versanken darin und schafften es nicht, sich alleine daraus zu befreien. Sie erzählten sich gegenseitig von den Schrecken, den sie erlebten, nicht selten zuckten sie noch tagelang aus Angst urplötzlich zusammen oder begannen voller Verzweiflung zu weinen.
Auch seine Eltern hatte sich in seinem Blick verloren und verstießen ihn. Scheinbar fühlten sie sich nicht in der Lage ein Leben mit ihm zu teilen, wenn er nur Angst in ihnen entfachte.
„Jaja...wenn die Menschen nicht so viele negative Gefühle in sich hätten, könntest du sie auch nicht verstärken“, erinnerte die Stimme ihn.
Chris nickte und wunderte sich zugleich warum er es tat. Zuvor hatte er nie die Schuld, dass seine Augen diesen Effekt hatten, bei Anderen gesucht.
Ja, er verstärkte die negativen Gefühle der Menschen. Trugen sie Furcht in ihrem Herzen und sahen in sein engelsgleiches Antlitz, wie sie es gerne selbst bezeichneten, dann verloren sie sich in dieser. Schafften sie es sich seinem Blick zu entwinden, dann zog sich das Gefühl langsam in deren Herzen zurück, an den Ort, an dem es geboren wurde und dennoch verließ der Schrecken des Anblicks sie teilweise Tage- oder Wochenlang nicht mehr.
„Narben“, erklärte die Stimme knapp und riss Chris erneut aus seiner Erinnerung. Noch immer war es ungewohnt für ihn, dass er die Stimme seit seinem zwölften Geburtstag, vor ein paar Tagen, in seine Gedanken gelassen hatte. An jenem Tag, an dem die Kinder ihn erneut geschlagen und die Erwachsenen erneut verachtet hatten, als wäre er Dreck, der eine Krankheit zutage fördern könnte. Im Prinzip konnte er es ihnen noch nicht einmal verübeln, doch die Zeit hatte auch in ihm Narben hinterlassen. Schmerzende Wülste, die niemals mehr verheilen würden. Jene, die in seinen Erinnerungen und seinem Herzen prangten, heilten nur langsam, wenn überhaupt und sie hatten in ihm Wut, Hass und Verachtung genährt.
Chris wandte den Blick von seinem eigenen Spiegelbild ab und ließ ihn durch die Straße schweifen, in der er lief.
„Dort, siehst du sie? Siehst du sie?“, fragte ihn die Stimme und tatsächlich sah Chris etwas, das sich deutlich gegen den gräulichen Himmel abhob. Es waren die Spitzen und Kuppeln einer gewaltigen Kirche.
„Dort?“, fragte Chris und die Stimme in ihm verkündete, dass dem so sei.
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"Vieles geht dahin und stirbt, doch die Wahrheit bleibt,
auch wenn sie oft im Verborgenen liegt und schweigt."

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