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Alt 23.11.2009, 08:55
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Bardin Bardin ist offline
Geschichtenerzählerin
Erforscher der Welten
 
Registriert seit: 11.2009
Ort: wo die Träume flügge werden
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Fortsetzung

Ich bin weiter gegangen in dieser Schlucht. Sie ist sehr lang und wird immer schmaler, ich bin ihr flussaufwärts gefolgt. Jetzt habe ich den Körper einer Ziege, das Klettern fällt mir leicht. Der Fluss schlängelt sich vorbei an riesigen Felsen, viel größer als ich es bin, gefärbt in einer Mischung aus grau und rotbraun. Manche sind ganz von Algen bedeckt, ein Zeichen davon, wie viel Wasser der Fluss manchmal mit sich führt. Die Steine werden dichter und ich komme nur noch langsam voran. Immer wieder muss ich einige von ihnen erklimmen, um überhaupt weiter zu kommen, nur kleine Felsgrate an den glatt geschliffenen Felsen helfen mir dabei. Ich kann es nicht verhindern ein paar Mal auszurutschen, aber ich fange mich schnell wieder. Die Sonne neigt sich dem Horizont zu und es wird immer dunkler. Ich lasse meine Augen zu Katzenaugen werden.
Ich überlege schon, ob ich fliegen soll, als ich rechts von mir eine Höhle erkenne, gerade so groß, dass ich stehen kann. Vorsichtig gehe ich hinein. Die Höhle ist lang und dunkel, nach einiger Zeit wird der Boden etwas glitschig, ganz anders als draußen. Ich muss meine Hufe vorsichtig setzten um nicht auszurutschen. Rings um mich herum tropft und gluckert es, wie nach einem starken Regen. Manchmal ducke ich mich unter langen Stalaktiten.
Wundersame Dinge hat das Wasser getan. Wie Vorhänge scheint der Stein an einer Stelle zu sein, fast dünne, zarte Häutchen, gespannt von der Decke herunterlaufend. An anderen gleicht er Eiszapfen, Quallen, Säulen. Ich kann nicht anders als zu staunen. Manche der Stalaktiten sehen aus, als wäre sie von steinernen Schneeflocken bewachsen, so sehr sind sie von kleineren Tropfsteinen bedeckt. Und dazu dieses zarte Tropfen, fern ein Gluckern, als würde der Stein, die ganze Höhle leben. Ich wage mich weiter vor, blicke mich immer wieder nach diesen seltsamen Formen um.
Der Boden führt abwärts, es wird immer glitschiger, einmal rutsche ich fast aus und kann mich gerade noch fangen.
Dann sehe ich diesen See.
Er ist silbrig und kristallklar, man kann den Grund erkennen der voller uralter Felsen ist, seit Jahrtausenden unbewegt. Von der Decke der Höhle tropft dann und wann ein Wassertropfen hinein und zaubert Ringe auf die Oberfläche, die bald wieder verschwinden.
Ich lasse meinen Blick über das Wasser gleiten. An einer Stelle schimmert das Wasser grünlich, als würde tief unten ein magisches Feuer brennen. Wahrscheinlich führt dort ein Loch in der Höhle nach oben und lässt das Tageslicht hindurch erahnen.
Aber dieses Licht ist das einzige, was von der oberen Welt nach unten führt. Hier ist es ganz ruhig und still, weitab von Allem.
Ich glaube, ich habe noch nie einen Ort wie diesen gesehen.
Wohl aber danach gesehnt.
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Allein die Existenz von irgendetwas ist das größte Wunder; die Materie, die sich selber formt, das größte Geschenk; die Materie aber, die auf sich selbst herabblickt und denkt, das größte Paradoxon.

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Geändert von Bardin (03.01.2010 um 10:34 Uhr)
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