Fantasy-Foren
Startseite Registrieren Hilfe Mitgliederliste Kalender
Grafik Grafik
 
Zurück   Fantasy-Foren > Fantasy Foren > Literatur, Lyrik und Kunst

Berufsethos

Antwort
 
Themen-Optionen
  #1  
Alt 23.12.2011, 17:11
Benutzerbild von Formorian
Formorian Formorian ist offline
Dunkler Wanderer
Drachentoeter
 
Registriert seit: 11.2011
Beiträge: 1.161
Berufsethos

Der Teufel saß majestätisch auf seinem knöchernen Thron, den unfehlbaren Dreizack fest in der Rechten. Flammenlohen ließen groteske Schatten über die felsigen Wände zittern. Er lauschte dem Prasseln und Zischen und dem nie versiegenden Chor aus Jammern und Wehklagen, und für eine Weile gelang es ihm zu vergessen, dass er nur der unbedeutende kleine Teufel einer unbedeutenden kleinen Welt war.
Doch eines, das ließ sich nicht so leicht verdrängen, und dies nagte ihm am Stolz wie die Pest persönlich. Eine unglaubliche Impertinenz war es, ein Affront gegen all seine unleugbaren Verdienste, und er konnte sich denken, wer ihm dies eingebrockt hatte. Der würde noch zu spüren bekommen, was er da angefangen hatte! Mit Zins und Zinseszins würde er es ihm heimzahlen. Wirklich, es war einfach unglaublich...
"Kurz: es ist tatsächlich eine unerhörte Sauerei!" rief der Teufel in die flammende Finsternis hinein.
Gerade war der Höllenbote bei ihm erschienen, um ihn über sein heutiges Soll zu informieren, und es begann eigentlich harmlos wie immer. "Wir benötigen bis zur Stunde Ananael drei Seelen von etcetera blabla schwall sowie zwei sülz laber sowie," und dort wurde es dann kriminell,"eine reine, unbefleckte Seele, Zustand 1A. Bitte hier entgegenzeichnen."
Rein und unbefleckt! War es nicht gerade sein ureigener Verdienst, dass solche Seelen in seinem Zuständigkeitsbereich heute seltener waren als Einhörner? Dachten die da oben eigentlich, dass man Heilige bei Bedarf aus dem Hut zieht?
Der unbedeutende kleine Teufel (nennen wir ihn UKT, ok?) zwang sich zur Ruhe. Bis Ananael war es noch ein gutes Stück Zeit, he, das packst du schon, Alter. Streng dich halt an! Mal überlegen; vielleicht Durian? Ach halt, der soff heut wie ein Loch...Langos? Nein, saß im Hungerturm, wegen Glückspiel...elender Mist, was war nur mit den Heiligen los? Vielleicht besser Fursey?
Auf Wink erschien sein Seelenbuch vor ihm, er setzte seine Brille auf und studierte eifrig die von selbst vor seinen Augen erscheinenden Notizen. Ja, Fursey. Heiligsprechung schon zu Lebzeiten; dreizehn Pilgerfahrten, davon elf zu Fuß; siebenunddreißig anerkannte Wunder, zweite Heiligsprechung durch die konkurrierenden Famelianer (früher haben sie sich auf der Straße noch gegenseitig mit ihren Betschnüren erwürgt, ach ja, die gute alte Zeit...);zweifelsfrei nachgewiesene selbstlose Taten: 3416. Sünden: 0. Seelenzustand: doppelt 1A mit besonderer Empfehlung!
UKT spuckte aus, und eine Feuerlohe zischte auf, wo er traf.
"Schön, Fursey, für dich werde ich also meinen Stolz vergessen und das brave Hündchen spielen...ich habe meinen Kandidaten."
Im nächsten Moment befand er sich in der großen Stadt und ging noch einmal seine Liste durch. Erster Punkt: drei alte Schlagetots. Kinderspiel, bloße Routine, eigendlich unter seiner Würde.
Hoch her ging es in der Taverne. Ein rascher Blick, und im rechten Moment den rechten Mann im Vorübergehen angerempelt, als er gerade den Becher hob...als das Poltern und Scheppern begann, befand sich UKT bereits im prachtvollen Herrenhaus eines hiesigen reichen Händlers. Dieser hatte ein ihn liebendes Weib, das seit siebenundzwanzig Jahren sich um ihn kümmerte wie eine Glucke um ihr Küken; die Erste am Morgen, die Letzte am Abend. Gerade legte sie die Wäsche ihres Göttergatten zum Säubern zurecht. UKT tat etwas Kleines, Kreatives, und die Gute hielt ein fein besticktes Dufttüchlein in Händen. Zufrieden machte er sich wieder auf den Weg. Heute würde sie ihrem Allerbesten einen ausgefallen gewürzten Schlummertrunk servieren...
Punkt drei: ein verkrachter Philosoph. In seiner zugigen Mansarde lag Serenius unter dicken Decken auf Lumpen, niedergeschlagen von Verbitterung und hohem Alter. Alles Leid der Welt hatte er gekostet, von Ignoranz über Borniertheit bis hin zu seinem Lieblingskind, der unausrottbaren schieren Dummheit. Er war es müde geworden zu kämpfen... UKT gab nur eine leichte Priese seines eigenen morbiden Humors hinzu, und die Sache war geritzt.
Und so ging es weiter zu Punkt vier, fünf und sechs, bis Posten siebzehn als Letzter noch zu erledigen war: eine reine unbefleckte Seele.
Hier war nun Fingerspitzengefühl angesagt, es durfte nicht gefuscht werden! Das gäbe nur Ärger mit denen ganz oben. Fursey musste sich sein Grab selber schaufeln, wenn nicht die andere Seite Anspruch auf ihn erheben sollte. Aber natürlich konnte es niemand unserem UKT verbieten, ihn nach Kräften dabei zu unterstützen. Dieser Gedanke weckte seine Berufsehre, es würde so etwas wie ein sportlicher Wettkampf werden, und ein wenig verrauchte dabei seine Verbitterung über diesen völlig zu Unrecht eingeforderten Sonderposten.
Fursey saß gerade beim Abendmahl, nahm etwas von dem einfachen, ungesäuerten, aber vorschriftsmäßigen Brot und spülte es mit dem einfachen, aber vorschriftsmäßigen klaren Wasser herunter. Es wurde mal wieder Zeit für den UKT, kreativ zu werden...
Fursey hustete ein wenig und wunderte sich über das seltsame Aroma, welches das Wasser heute hatte. Verwundert starrte er in die rubinrote Flüssigkeit, die sich in seinem schlichten Holzbecher befand, dann kippte er sie angewiedert unter den Tisch. Doch er hatte bereits einiges davon verschluckt, und da er keinen Wein gewohnt war, machte sich rasch ein seltsam leichtes, beschwingtes Gefühl in ihm breit.
Rasch improvisierte er ein kurzes Gebet und stellte mit leicht schwerer Zunge fest:"Dies kann mir vergeben werden. Eine Sünde, im Unwissen begangen, ist eine ...rülps!...lässliche Sünde."
Der UKT biss sich vor Wut auf die Krallen. Verflixt, wo er recht hatte...Leichte Schritte näherten sich. Die Haushälterin kam, um abzuräumen. Natürlich handelte es sich um eine Tochter des Einen, doch hey, sie war ein junges Ding! In heiliger Demut trug sie das lange Sackgewandt ihres Ordens.
UKT sah sich um und gewahrte das geöffnete Fenster, nicht weit vom Sitzplatz Furseys. Eine Idee stieg in ihm auf.
Warte noch...gleich...jetzt passt es genau! Sturm marsch!
Heulend pfiff der Wind durch die Öffnung und bauschte die Röcke der sich nach dem Tablett Bückenden bis zur Hüfte hoch auf. Oh, welch ein Anblick, alle Sünden dieser erbärmlichen kleinen Welt wert. Welch eine Verschwendung, unverzeihlich!
Doch Fursey? War es denn möglich? Er wischte den verschütteten Wein mit dem Brot auf; nichts hatte er zu sehen bekommen, nada, niente, null!
Allmählich wurde die Zeit wirklich knapp! UKT hasste es, plump zu improvisieren, aber für große Kunst wurde es wirklich langsam zu spät. Also gut, weg mit der Pinzette, das Brecheisen her!
Fursey tat einen entsetzten Schrei, als er gewahrte, das die hölzerne Betkette um seinen Hals sich plötzlich in pures Gold verwandelt hatte. In heiliger Entrüstung riss er sie sich vom Leib und schleuderte sie weit von sich. "Fort mit dir, du Symbol alles niederen Irdischen! Verflucht mögen meine Hände sein, dass ich dich berühren muss! Dein eitel Schein wird meine Seele nicht korrumpieren!" Er griff sich plötzlich an den linken Arm, Schmerz verzerrte sein Gesicht, er wankte. Die Haushälterin tat einen spitzen Schrei und ließ das Tablett fallen, als Fursey sich schwer auf den einfachen Holztisch stützte und schließlich mit lautem Plumps zu Boden sackte.
Nun ist es endgültig vermurkst, schoss es dem UKT durchs finstere Hirn. Ein Heiliger muss her, schnell! Schau ins Buch...warte, nein...oder vielleicht...? Hier, ja genau, das ist mein Mann! Gelobte Heilige Queste, rettet jeden Monat eine oder auch zwei Jungfrauen, küsst jedes Baby, das man ihm hinhält...ja, der ist es!
Und in diesem Moment läuteten die Glocken des Tempels zum Heiligen Fursey die Stunde Ananael ein.
Mit einem schrecklichen Geheule fuhr UKT zurück in seine subventionierte Hölle und nahm prompt die Nachricht des Höllenboten entgegen: "Grund: Nichterfüllung des Tagessolls. Maßnahme: Kürzung der Flammeneinheiten um dreitausendfünfhundert Maß. Einspruch: zwecklos. Gruß, Seine Abscheulichkeit, Ich selbst."
UKT`s Zornesschrei ließ die Felsen erzittern, und selbst die Flammen duckten sich unter seiner Wut. Mit hoch erhobenen Armen rief er einen uralten Fluch aus, und eine lohende Feuerkugel erschien zwischen seinen Händen. Dann legte er diese auf den Boden, setzte sich im Schneidersitz davor und hielt die Klauen dicht über die glosende Glut.
Es war hier wirklich verdammt kalt geworden...

Geändert von Formorian (25.12.2011 um 08:06 Uhr)
Mit Zitat antworten
  #2  
Alt 23.12.2011, 23:17
Benutzerbild von Hobbyschreiber
Hobbyschreiber Hobbyschreiber ist offline
Drachentoeter
 
Registriert seit: 05.2010
Ort: Zumindest nicht mehr hier!
Beiträge: 1.048
Ha, stilistisch kann ja fast jeder Entwurf noch verbessert werden, aber Du hast wirklich hübsch-fiese Ideen! Eine ebenso nette Kurzgeschichte wie "Dumm gelaufen". Ich mag Deinen Stil.
Mit Zitat antworten
  #3  
Alt 24.12.2011, 11:16
Benutzerbild von Formorian
Formorian Formorian ist offline
Dunkler Wanderer
Drachentoeter
 
Registriert seit: 11.2011
Beiträge: 1.161
Oh danke, das freut mich!
Ich denke, die perfekte Art zu schreiben gibt es ohnehin nicht, denn jeder hat wohl seine eigenen Vorstellungen davon, wie eine Geschichte auszusehen hat.
Das Fiese ergibt sich in meinen Stories praktisch von allein. Hab halt ein Herz für die Figuren, die sonst niemand mag...
Mit Zitat antworten
Antwort



Forumregeln
You may not post new threads
You may not post replies
You may not post attachments
You may not edit your posts

BB code is An
Smileys sind An.
[IMG] Code ist An.
HTML-Code ist Aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 01:50 Uhr.

 
Grafik
Powered by vBulletin® Version 3.8.10 Beta 1 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.
Copyright by Fantasy-Foren.de 2005-2017 | Fussball Forum


Grafik